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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Orangensaft.«
    »Ein Bier wäre mir lieber …«
    »Da hört doch alles auf.« Dorian lachte befreit. Er war glücklich. Kurz überkam ihn eine Anwandlung, Sassner zu umarmen und zu küssen. War das der Sieg? So sehr er sich dagegen wehrte … er mußte jetzt Dr. Keller ansehen. Der junge Arzt stand am Fenster, die Hände in den Taschen des weißen Kittels.
    »Meine Gratulation, Herr Professor«, sagte er leise. »Ein Schaf wird nie den Hirtenhund verstehen, der es antreibt.«
    »Wir werden noch einmal miteinander reden, Bernd.« Dorian war bereit, alles zu verzeihen. Sein Herz zuckte schmerzhaft. Wenn jemand begriff, was hier geschah, dann war er es. Hier lebte ein Mensch, dem er einen Teil der Persönlichkeit weggeschnitten und dafür einen anderen Teil gegeben hatte … einen besseren Teil, einen gesünderen. Hier war die Seele korrigiert worden.
    »Bleiben Sie ganz ruhig liegen«, sagte Dorian und tätschelte Sassner die Wangen. »Gleich kommt Fruchtsaft, kein Bier … das trinken wir gemeinsam beim ersten Skat! Und dann wollen wir sehen, daß es aufwärts geht. Morgen laufen wir schon wieder. So, und jetzt kommt Ihre Frau …«
    Er ging hinaus und ergriff Luise an beiden Händen. Sie wollte etwas sagen, aber die Worte schwammen ihr weg. Da lehnte sie den Kopf gegen Dorians Schulter und weinte befreit.
    »Nur fünf Minuten«, sagte Dorian und streichelte ihr Haar. »Morgen geht es länger. Wenn Sie wüßten, welche Leistung sein Gehirn jetzt vollbringt …«
    Dann war Luise im Zimmer, beugte sich über das Bett und küßte ihren Mann.
    »Gerd …« sagte sie. Nur immer wieder: »Gerd … Gerd …« Andere Worte fand sie nicht, aber es waren für sie die schönsten. »Gerd …«
    Er tastete nach ihrem Gesicht, ließ seine matte Hand über ihren Kopf gleiten und lächelte sie an.
    »Rehlein …« sagte er mühsam. »O Rehlein …«
    »Hast du Schmerzen?«
    »Ein Summen im Kopf. Sonst nichts. Aber schlapp bin ich, schlapp …«
    Dr. Keller zupfte an ihrem Kleid. Luise nickte. Er hat ganz klare Augen, dachte sie. Er sieht mich an wie früher. In seinen Augen liegt Sehnsucht …
    »Bleib ganz ruhig, Gerd … ganz ruhig … Ich bin immer bei dir … dort, hinter dem Fenster …«
    Er nickte leicht und schloß die Augen. Die Rückkehr ins Leben war eine schwere Arbeit. Seine Lippen aber sprachen noch, formten Worte. Man verstand sie nicht mehr, aber es mußten liebe Worte sein, denn ein seliges Lächeln glitt über sein Gesicht.
    Der erste Ausgang fand drei Tage später statt.
    Sassner hatte das Gehen schnell wieder gelernt. Am Arm Dorians spazierte er zunächst durch das Zimmer, dann über den Korridor zu den Untersuchungsräumen, wo man ein EKG machte. Es war normal.
    »So, und jetzt an die frische Luft!« sagte Dorian. »In einer Woche fühlen Sie sich, als könnten Sie Bäume ausreißen.«
    »Dazu brauche ich keine Woche mehr.« Sassner erholte sich von Stunde zu Stunde. Es war, als drehe man eine Gasflamme ganz langsam auf bis zur vollsten Stärke. »Gestehen Sie, Herr Professor, hat der Turban irgendwelche Rückwirkungen? Ich könnte wie ein Pascha alle Frauen umarmen!«
    »Na also!« Dorian lachte laut. »Eine wichtige Funktion ist schon in vollster Blüte wieder da!«
    Im Garten erwarteten Dorle und Andreas ihren Vater. Sie hatten Blumensträuße in den Händen. Aber als sie Sassner aus dem Haus kommen sahen, warfen sie die Blumen weg und stürmten auf ihn zu.
    »Paps! Paps!«
    Er fing sie auf, küßte sie und wirbelte mit ihnen im Kreis herum, obgleich es in seinem Kopf zu knacken begann und Schwindel ihn erfaßte.
    »Halt! Erst ein Foto!« schrie Andreas. »Das muß der Nachwelt erhalten bleiben! Alle zurücktreten. Paps allein! Der Maharadscha von weicher Birne! Bitte, recht freundlich …«
    Sassner ließ sich fotografieren, er lachte und machte Witze und ärgerte sogar Luise wieder. »Deine Lidstriche sind krumm«, sagte er.
    »Ma, er ist genau wie früher«, meinte Dorle.
    An diesem Tag machte Dorian sein großes Experiment.
    Als Sassner mit seiner Familie am Tisch saß und Fruchtsaft trank, kam Dorian auf die Terrasse und trug den alten zerfetzten Schuh in der Hand vor sich her. Luise erstarrte. Die Kinder bekamen ängstliche Augen.
    Das ist zu früh, schrie es in Luise. Muß das sein? Er hat doch kein Wort gesagt! Er hat nicht danach gefragt. Tut den schrecklichen Schuh weg … bitte …
    Professor Dorian kam auf sie zu. Vor Sassner blieb er stehen und hielt den Schuh hoch. »Na?« fragte er.
    Sassner

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