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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ist doch Hirn!« Und die Ärzte seiner Klinik hatten zusammen mit de Cryter schallend gelacht.
    Die Beobachtungen an Gerd Sassners Wesen ergaben das klare Bild einer vollkommenen Heilung. Das grausame Kriegserlebnis schien überwunden zu sein, der seelische Schock der Verschüttung war weggekommen. Dorian unternahm zwei gefährliche Experimente … gingen sie daneben, war alle Arbeit umsonst gewesen.
    »Hatten Sie nicht einen guten Freund?« fragte er Sassner drei Tage vor dem geplanten Entlassungstag. Dorian, Luise und Sassner gingen im Wald spazieren. Der große Kopfverband war längst gefallen, den kahlgeschorenen Schädel bedeckte wieder stoppeliges Haar, das sich sogar an einigen Stellen zu kräuseln begann. Nur die großen, runden Narben zeichneten sich ab. Zugeklappte Fenster, wieder vermauerte Türen zum Geheimnis des Menschen, seines Wesens, seiner Gedanken.
    »Ich habe eine Menge guter Freunde«, sagte Sassner. »Wen meinen Sie?«
    »Einen früheren Freund … Benno Berneck.«
    Luise Sassner fuhr zusammen. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Angstvoll blickte sie zu Gerd hinauf. Aber Sassners Gesicht zeigte nur den Ausdruck größter Verblüffung.
    »Berneck, ja! Woher kennen Sie ihn, Herr Professor? Mein Gott, ist das lange her. Wir waren zusammen junge Leutnants … dann wurde ich Oberleutnant und Kompaniechef …«
    »Sie haben mir mal davon erzählt.« Dorian sprach in gleichgültigem Plauderton. »Was ist eigentlich aus diesem Herrn Berneck geworden?«
    »Er ist tot.« Sassner blieb stehen und legte den Arm um Luise. »Er erschoß sich selbst, in einem Erdbunker. Wir waren durch einen Granatvolltreffer verschüttet.« Er drückte einen Kuß auf Luises Haare und lächelte sie wie verzeihend an. »Ich habe dir nie davon erzählt, Liebling. Es war eines meiner schrecklichsten Erlebnisse im Krieg.«
    »Stimmt! Er ist tot. Ich erinnere mich wieder.« Dorian hob die Schultern. »Sie erzählten es mir ja auch. Verzeihen Sie, mir fiel dieser Name ganz plötzlich ein.«
    Damit war das erste Experiment beendet. Das zweite war gefährlicher und fand in Dorians Salon statt. Luise, Angela, ein Pfleger als Bedienung und Dr. Kamphusen waren zugegen, als plötzlich, durch einen manipulierten Kurzschluß, alle Lichter erloschen und Sassner allein in völliger Dunkelheit in seinem Sessel saß. Die Finsternis fiel so schlagartig über ihn herein, daß er nicht einmal einen Ausruf des Staunens von sich gab. Nur das Kaminfeuer flackerte wild vor seinen Augen – er saß direkt vor dem Holzstoß –, und die Flammen umhüllten ihn mit zuckendem Rot.
    Die Stille im Raum war lähmend. Dr. Kamphusen stand neben der Hausbar. In einem sterilen Spritzenkasten lagen zwei aufgezogene Spritzen. Selbst Dorian war es nicht geheuer … er wartete jeden Augenblick auf einen gräßlichen Aufschrei und sagte sich doch immer wieder: Er wird es nicht tun … er wird es nicht tun … er ist gesund …
    Alle zuckten zusammen, als Sassners Stimme erklang, ruhig, tief und ohne jegliche Erregung.
    »Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken … aber ich finde diese Stimmung am Feuer romantisch. Bitte lachen Sie nicht … in mir ist noch etwas von einem Romantiker. Fragen Sie meine Frau … wir sitzen oft am offenen Kamin nebeneinander, halten uns die Hand und fühlen uns dann losgelöst vom harten Alltag. Wir sollten alle Sessel zum Feuer rücken und das Licht auslassen. Und wenn Sie, lieber Professor, noch eine Flasche Rotwein haben, fehlt uns nichts mehr … sofern Sie ein so altmodischer Mensch wie ich sind …«
    Man saß eine Stunde lang in der Dunkelheit am flammenden Kamin, trank Wein und unterhielt sich über hundert Dinge, bis Kamphusen das Licht wieder andrehte.
    »Gratuliere«, sagte Dorian leise zu Luise, als man beschloß, schlafen zu gehen. »Er ist gesund.«
    »Sie haben ein Wunder vollbracht.« Luise ergriff beide Hände Dorians. Sie hätte diese Hände küssen mögen, diese einmaligen, gesegneten Hände. »Er ist wie früher. Mir kommen die vergangenen Wochen wie ein unwirklicher Alptraum vor.«
    »Vergessen Sie sie auch. Und wenn die Haare wieder über die Narben gewachsen sind, ist die letzte Erinnerung an jenen ›fremden Menschen‹ verdeckt.«
    »Hätten Sie an einen solchen Erfolg geglaubt, Herr Professor?«
    »Ja.« Dorian küßte Luises Hand. »Ich würde sonst nicht operiert haben.«
    Am 23. umstanden sechs Professoren Gerd Sassner im kleinen Vortragssaal. Auch de Cryter aus Lüttich war gekommen. Er hatte sich zwei

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