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Das Schloss der tausend Sünden

Das Schloss der tausend Sünden

Titel: Das Schloss der tausend Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Portia Da Costa
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Tatsache, dass Isidoras Orgasmus eine Ewigkeit zu dauern schien, erregte Jonathan über alle Maßen. Er hatte das Gefühl, über einem Abgrund zu schweben, das Halteseil bis zum Zerreißen gespannt. Atemlos rechnete er jeden Moment damit, entweder in die Höhe zu schießen oder in die Tiefe zu stürzen. Adrenalin wurde durch seinen Körper gepumpt, und sein Herz schlug wie wild.
    Als sie seinen zögernden Blick sah, gebot Isidora ihren Zuckungen Einhalt, setzte sich auf und schubste ihn zu Boden. Dann beugte sie sich über ihn.
    Als sie murmelte: «Jetzt bist du dran», fühlte er seinen gefährlichen Absturz nahen.
     
    Belinda spürte plötzlich Verlegenheit und Angst in sich aufsteigen. Wie konnte sie nur einfach so mit jemandem schlafen? Kaltblütig, offenen Auges und ohne Vorspiel? Wie konnte sie das auch nur in Erwägung ziehen, wo sie doch wusste, wie die Sache ausgehen könnte?
    Und wenn sie zweifelte, dann hatte André vielleicht auch Bedenken.
    Als hätte er ihre Gedanken gelesen, wanderte der Blick des Grafen von der Rosenholzschatulle hin zu Belinda. «Komm her», forderte er sie mit sanfter Stimme auf. Sein Gesicht wirkte im Leuchten des Behältnises etwas unheimlich.
    Belinda setzte sich zu ihrem Gastgeber auf die Kirchenbank, während Michiko sich einem komplizierten und geheimnisvollen Beschwörungsritual widmete, das aus einemhalblauten Singsang und dem wiederholten Abbrennen von Räucherstäbchen bestand.
    «Ich weiß», begann André, «dass dir das alles sehr gekünstelt und merkwürdig vorkommen muss.» Er lächelte, und seine blauen Augen zwinkerten auf so jungenhafte, normale Weise, dass sie schon jetzt den ersten Stich der Lust in ihrem Bauch spürte. «Und du hast recht. Wir werden uns aus einem sehr absonderlichen Grund und unter denkbar unnormalen Umständen lieben. Aber wenn die Dinge anders lägen   …» Er zuckte mit den Schultern und ein Seufzen kam über seine Lippen.
    Plötzlich bemerkte Belinda eine leichte Änderung des Lichts, und sie schaute zu der Schatulle, die auf den Falten seines prächtigen Seidenumhangs ruhte.
    Wie konnte dort drin nur jemand leben? Und was hielt die Bewohnerin der Schatulle wohl von dem, was André da gerade angedeutet hatte – dass er sie unter anderen Umständen nur zu gern mit Belinda betrogen hätte?
    Als die junge Frau den Blick wieder abwandte, stellte sie fest, dass auch der Graf die ganze Zeit auf das Gefäß gestarrt hatte. «Ihr hättet gute Freundinnen sein können», sagte er mit kaum hörbarer Stimme. «Schwestern gar. Schwestern im Geiste. Ihr seid euch auf so vielerlei Weise ähnlich   … Hier!» Mit diesen Worten reichte er die Schatulle an Belinda weiter.
    Doch sie zögerte und glättete verlegen den dünnen Musselin ihres Kleides.
    «Sie wird schon nicht beißen», versicherte der Graf lächelnd.
    Belinda nahm die Schatulle und spürte sofort eine unheimliche Kraft. Sie fühlte eine Macht, eine Präsenz. Das Holz war kühl, doch irgendetwas in Belindas Innerem interpretierte diese Kälte als Wärme. Sie wurde von einerWelle der Emotionen erfasst und glaubte, Vertrautes zu erkennen. Das Gefühl war so stark, dass es fast erotisch auf sie wirkte. Belinda ertappte sich dabei, wie sie, ohne nachzudenken, über die Schatulle strich, ja sie fast sogar streichelte. Der Wunsch, sie zu öffnen, wurde immer größer.
    «Nur zu», sagte André.
    Oder war das überhaupt André? Seine Worte waren in ein merkwürdig klingendes Echo gehüllt. Ganz so, als hätte er die Aufforderung nicht allein gesprochen.
    Im Inneren der Schatulle lag eine verkorkte Phiole, in der eine Substanz herumwirbelte, die an Nebel erinnerte – weder flüssig noch gasförmig. Das Bemerkenswerteste aber war die Farbe, die man nicht einfach nur mit dem Wort «blau» beschreiben konnte. Sie war wie der Himmel, wie das Meer, wie der schönste Saphir oder der edelste Lapislazuli. Die Substanz – die Persönlichkeit – war formlos, doch Belindas Sinne vermittelten ihr, dass sie ein Lächeln sah. Die Essenz einer Begrüßung, einer Berührung – das Gefühl der Liebe.
    «Hallo», flüsterte Belinda. Sie ließ ihre Fingerspitzen auf der Glasphiole ruhen und wurde von einem weiteren, körperlosen Willkommensgruß überrascht, den sie als übersinnliche Version einer Umarmung wahrnahm. Eine schwesterliche Umarmung, die ihre Ängste und Zweifel völlig wegwischte. Belinda verspürte den plötzlichen Drang, ihre seltsame Schwester näher kennenzulernen, etwas von ihrem Leben und

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