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Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horace Walpole
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verdrehen, weil sie weiß, Sie sind eine Heilige, aber sobald Sie den Rücken drehten – Du thust ihr Unrecht, sprach Matilde, Isabelle ist keine Heuchlerin. Es fehlt ihr nicht an Frömmigkeit, aber nie prahlte sie mit einem Beruf, den sie nicht empfand. Im Gegentheil bestritt sie immer meine Neigung für das Kloster. Und obschon ich bekenne, daß mich das Geheimniß das sie mir aus ihrer Flucht machte, in Verlegenheit setzt; obwohl es scheint, als bestehe das nicht mit unsrer Freundschaft; so kann ich doch den uneigennützigen Eifer nicht vergessen, mit dem sie mich immer abhielt, den Schleyer zu ergreifen. Sie wünschte mich verheyrathet zu sehn, wenn gleich mein Leibgedinge, für ihre und meines Bruders Kinder, ein Verlust gewesen wäre. Ihrentwegen will ich gut von diesem jungen Bauren denken. Ihre Gnaden glauben also, es könne wohl einige Liebe unter ihnen Statt finden? fragte Bianca. Indem trat ein Bedienter eilig in das Zimmer, der Prinzessin zu melden, daß Fräulein Isabelle gefunden sey. Wo? fragte Matilde. Sie hat sich in die Kirche Sanct Nicola geflüchtet, antwortete der Bediente. Vater Geronimo hat die Nachricht selbst überbracht; er ist unten bey Seiner Hoheit. Wo ist meine Mutter? sagte Matilde. In ihrem Zimmer, sie fragt nach Ihren Gnaden.
    Manfred war mit Tages Anbruch aufgestanden, und in Hippolitens Gemach gegangen, um zu erforschen, ob sie etwas von Isabellen wisse. Während er sie ausfragte, benachrichtigte man ihn, daß Geronimo ihn zu sprechen verlange. Manfred ließ sich von der Ursache nichts träumen, die den Mönch herbrachte. Er wuste, daß ihn Hippolite als ihren Almosenier gebrauchte, und befahl ihm hereinzukommen, weil er beyde zusammen lassen wollte, um indessen seine Nachforschungen nach Isabellen fortzusetzen. Gilt Ihr Besuch mir oder der Fürstin? fragte Manfred. Beiden, antwortete der ehrwürdige Mann. Fräulein Isabelle – Was wissen Sie von ihr? unterbrach ihn Manfred eifrig – Sie steht am Altar Sankt Nicola, erwiederte Geronimo. Das geht meine Gemahlin nicht an, sprach Manfred bestürzt; folgen Sie mir in mein Zimmer, Vater, und belehren Sie mich, wie sie dorthin gekommen ist? Nein, gnädiger Herr, antwortete der gute Alte, mit einem Ausdruck von Festigkeit und Ansehn, das selbst dem entschlossenen Manfred Einhalt that, der nicht umhin konnte, Geronimo's Heiligen gleiche Tugenden zu verehren: mein Auftrag geht Sie beyde an, und Ihre Hoheit werden mir erlauben, ihn in Ihrer beyder Gegenwart auszurichten. Erst aber, gnädiger Herr, muß ich die Fürstin fragen, ob ihr die Ursache von Fräulein Isabellens Entfernung aus der Burg bekannt ist? – Nein, auf meine Seele, sprach Hippolite. Beschuldigt mich Isabelle, daß ich darum gewußt habe? – Vater, unterbrach sie Manfred, ich hege alle schuldige Ehrerbietung gegen Ihren heiligen Stand; aber hier bin ich Herr, und werde nie zugeben, daß sich ein pfäffischer Unterhändler in meine häußlichen Angelegenheiten mische. Haben Sie etwas zu bestellen, so folgen Sie mir auf mein Zimmer. Ich bin nicht gewohnt, meine Gemahlin um geheime Staatsgeschäfte wissen zu lassen. Darum hat sich keine Frau zu bekümmern. Gnädiger Herr, antwortete der ehrwürdige Mann, ich dränge mich nie zu Familiengeheimnissen. Mein Amt ist Frieden zu verbreiten, Zwiespalt zu heilen, Buße zu predigen, und den Menschen zu lehren, daß er seine ungezähmten Leidenschaften bändige. Ich verzeihe Ihrer Hoheit, daß Sie mich so unfreundlich angeredet haben, ich weiß meine Schuldigkeit, und bin der Diener eines mächtigern Herrn als Manfred. Hören Sie, was der zu Ihnen spricht, durch meinen Mund. Manfred bebte vor Wuth und Schaam. Auf Hippolitens Antlitz lag Erstaunen und Ungeduld, zu erfahren wo dies hinauslaufen würde, und ihr Stillschweigen bewies deutlich, wie gehorsam sie gegen Manfred sey. Fräulein Isabelle, hub Geronimo wieder an, empfiehlt sich Ihren Hoheiten beiderseits; beiden dankt sie für die Liebe, die Sie ihr in dieser Burg erwiesen haben. Sie beklagt den Verlust Ihres Sohnes, und ihr eignes Unglück, daß sie nun nicht die Tochter so weiser und edler Fürsten wird, die sie immer als Eltern verehren will; sie betet, daß Ihre Eintracht und Glückseligkeit untereinander nie unterbrochen werde. (Manfred veränderte die Farbe) Da es ihr nun aber nicht länger möglich ist, Ihnen anzugehören, so ersucht sie um Ihre Einwilligung, daß sie an heiliger Stäte bleiben möge, bis sie Nachricht von ihrem Vater bekommen kann, oder durch die

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