Das Schloss von Otranto
Ihrer Tugend nicht. Matilde, dieser Schlag ist zu schwer für dich! Weine nicht, mein Kind, murre nicht, ich befehl' es dir. Erinnere dich, er bleibt dein Vater. Aber Sie sind meine Mutter, erwiederte lebhaft Matilde, und Sie sind tugendhaft, Sie sind schuldlos. O, muß ich nicht, muß ich nicht klagen? Du mußt nicht, sprach Hippolite. Komm, alles wird gut gehn. Manfred war bestürzt über den Tod deines Bruders; er wuste nicht, was er sprach. Vielleicht verstand ihn Isabelle unrecht. Sein Herz ist gut. Mein Kind, du weißt nicht alles. Ein Verhängniß schwebt über uns, die Hand der Vorsicht ist ausgestreckt. Könnt' ich nur dich aus dem Schiffbruch retten! Ja! sprach sie mit festerem Ton, vielleicht wird meine Aufopferung für alle büßen. Ich gehe, und erbiete mich selbst zu dieser Trennung. Was aus mir wird, daran ist nichts gelegen. Ich will mich in das nahgelegene Kloster einschließen, und den Ueberrest meines Lebens mit Gebeten und Thränen hinbringen, für mein Kind und – den Fürsten! Sie sind viel zu gut für diese Welt, sagte Isabelle, wie Manfred zu schlecht ist. Aber glauben Ihre Hoheit nicht, daß Ihre Nachgiebigkeit mich bestimmen wird. Hier schwör' ich, vor allen Heiligen. – Ich beschwöre Sie, halten Sie ein! rief Hippolite. Bedenken Sie, daß Sie nicht von sich selbst abhängen, daß Sie einen Vater haben, – Mein Vater ist zu gottselig, und zu edelmüthig, unterbrach sie Isabelle, eine ruchlose That zu befehlen. Solte er sie aber befehlen; hat er ein Recht, mich zum Fluch zum zwingen? Ich war mit dem Sohn verlobt, kann ich den Vater heyrathen? Nein, gnädige Frau, nein! Keine Gewalt reißt mich zu Manfreds verhaßtem Lager. Er ist mir zuwider, er ist mir abscheulich! Göttliche und menschliche Gesetze entfernen mich von ihm! Und kann ich meiner Freundin, kann ich meiner theuersten Matilde zarte Seele verwunden, und ihre angebetete Mutter beleidigen? Meine Mutter! – ich habe nie eine andre gekannt. O! sie ist unser beyder Mutter! rief Matilde. Wir können sie nie genug verehren! Geliebte Kinder, sprach gerührt Hippolite, eure Zärtlichkeit überwältigt mich – aber ich darf ihr nicht nachgeben. Uns kommt es nicht zu, für uns zu wählen. Der Himmel, unsre Väter, unsre Ehemänner, entscheiden über uns. Gebt Geduld, bis ihr erfahren werdet, was Manfred und Friedrich beschlossen haben. Nimmt der Markgraf Matildens Hand an, so weiß ich, sie wird willig gehorchen. Gott vermittle und verhüte das Uebrige. Was will mein Kind? fuhr sie fort, als sie Matilden in sprachloser Thränenflut zu ihren Füßen fallen sah. Antworte mir nicht, meine Tochter; ich darf kein Wort gegen den Willen deines Vaters vernehmen. O zweifeln Sie nicht an meinem Gehorsam, an meinem fürchterlichen Gehorsam gegen ihn und Sie! sprach Matilde. Aber kann ich, o verehrteste unter allen Frauen, kann ich diese Zärtlichkeit, diese ungemeine Güte erproben, und der besten Mutter einen Gedanken verhehlen? Was wollen Sie sagen? sprach Isabelle zitternd. Besinnen Sie sich, Matilde. Nein, Isabelle, antwortete die Prinzessin, ich verdiene diese unvergleichliche Mutter nicht, so lange im innersten Winkel meiner Seele ein Gedanke wider ihre Erlaubniß verweilt. Ja, ich habe sie beleidigt; ich habe eine Leidenschaft sich in mein Herz schleichen lassen, die nicht von ihr gebilligt ward: aber hier entsag' ich ihr, hier gelob' ich dem Himmel und ihr – Kind, Kind, sagte Hippolite, was muß ich hören? Welche neuen Unfälle thürmt das Schicksal über uns auf? Du nährst eine Leidenschaft? Du, in dieser Stunde der Zerstörung? O! ich fühle meine ganze Schuld, sprach Matilde. Ich verabscheue mich selbst, wenn ich meine Mutter betrübe. Sie ist mein theuerstes Gut auf der Welt. Ich will ihn niemals wie der sehn! Isabelle, sagte Hippolite, Sie wissen um dieses unglückliche Geheimniß. Es sey was es wolle, reden Sie. Wie? rief Matilde, hab' ich meiner Mutter Liebe so ganz verlohren, daß sie mich selbst über meine Fehler nicht mehr hören will? So ist es aus mit mir, so muß ich sterben. Sie sind zu grausam, gnädige Frau, sprach Isabelle zu Hippoliten. Können Sie ihre tugendhafte Seele so beängstigt sehn, und sich ihrer nicht erbarmen? Ich solte mich meines Kindes nicht erbarmen? sprach Hippolite, und schloß ihre Tochter in ihre Arme. O! ich weiß, sie ist gut, sie ist ganz Tugend, ganz Zärtlichkeit und Gehorsam. Ich vergebe dir, meine trefliche, meine einzige Hofnung! Darauf entdeckten die Prinzessinnen Hippoliten ihre
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