Das Schloss von Otranto
sich? wann? Es ist unmöglich, ich muß mich irren. Vielleicht sahn sie sich diesen Abend zum erstenmal. Ein andrer Gegenstand beschäftigt seine Gefühle. Wenn das ist, so bin ich minder unglücklich, als ich besorgte! Wenn es nur meine Freundin Matilde nicht ist! Und ich kann mich herablassen, die Liebe eines Mannes zu begehren, der so unhöflich und ohne Noth mir sagte, ich sey ihm gleichgültig? in eben dem Augenblick mir es sagte, wo alltägliche Lebensart wenigstens Ausdrücke der Achtung erfordert? Ich will zu meiner theuren Matilde gehn, sie wird mich in dem Stolz unterstützen, der mir zukommt. Das Männergeschlecht ist falsch. Wir wollen beyde ins Kloster. Sie wird sich freuen, mich in dieser Stimmung zu finden. Ja, ich sag' ihr, daß ich ihrem heiligen Beruf nicht länger widerspreche. In dieser Gemüthsverfassung, und entschlossen, ihr ganzes Herz vor Matilden auszuschütten, trat sie in das Zimmer der Prinzessin, die sie ganz gekleidet fand, nachdenkend auf ihren Arm gelehnt. Diese Stellung entsprach Isabellens eignen Gefühlen, erweckte ihren Argwohn von neuem, und zerstörte das Vertrauen, das sie ihrer Freundin zu beweisen sich vorgenommen hatte. Sie errötheten, da sie gegen einander über standen, und waren zu sehr Neulinge, ihre Empfindungen geschickt zu verstellen. Nach einigen unbedeutenden Reden und Antworten, befragte Matilde Isabellen, um die Ursache ihrer Flucht. Diese hatte Manfreds Leidenschaft fast vergessen, so gänzlich war sie mit der ihrigen beschäftigt, und glaubte, Matilde meine ihre letzte Entfernung aus dem Kloster, welche die Begebenheiten des vergangenen Abends veranlaßte. Darum erwiederte sie: Martelli sagte einigen Klosterleuten, Ihre Frau Mutter sei gestorben. – O! unterbrach sie Matilde, das Mißverständniß hat Bianca veranlaßt. Sie sah mich in Ohnmacht fallen, und rief: die Prinzessin ist todt! Martelli holte grade sein Allmosen aus der Burg. – Warum fielen Sie in Ohnmacht? fragte Isabelle, der das übrige nichts anging. Matilde erröthete, und stammelte. Mein Vater saß zu Gericht – über einen Verbrecher. – Ueber welchen Verbrecher? fragte Isabelle hastig. – Ueber einen Jüngling, antwortete Matilde, über den – über den nemlichen – Ueber Theodor? fragte Isabelle. Ja, antwortete sie. Ich hatte ihn nie zuvor gesehn, ich weiß nicht, was er gegen meinen Vater verbrochen haben mag – da er Ihnen aber einen Dienst leisten können, so freut es mich, daß der Fürst ihm verziehn hat. – Mir einen Dienst? rief Isabelle. Nennen Sie das mir einen Dienst leisten, daß er meinen Vater verwundete, und fast an seinem Tode schuld ist? Freylich bin ich nur seit gestern so glücklich, meinen Vater zu kennen; aber ich hoffe, Sie halten mich kindlicher Zärtlichkeit nicht so entfremdet, daß ich der Kühnheit dieses verwegenen Jünglings nicht zürnen sollte? Wie soll ich jemals Zuneigung gegen den empfinden, der sich erfrecht, seinen Arm gegen den Urheber meines Daseyns zu erheben? Nein, Matilde, mein Herz verabscheut ihn: und bewahren Sie mir noch die Freundschaft, die Sie mir von Kindheit an gelobten, so werden Sie einem Menschen fluchen, der im Begrif war, mich auf ewig zu verderben. Matilde senkte ihr schönes Haupt, und antwortete: Ich hoffe, meine theure Isabelle bezweifelt ihrer Matilde Freundschaft nicht. Ich sah den Jüngling gestern zum erstenmal. Er ist mir völlig fremd. Die Wundärzte aber sprechen, Ihr Herr Vater sey außer aller Gefahr. Darum hegen Sie keine lieblose Empfindlichkeit gegen einen Mann, der, wie ich überzeugt bin, nicht wuste, daß Ihnen der Markgraf verwandt sey. Sie reden recht warm für einen Fremden, sprach Isabelle. Ich muß mich sehr irren, wenn er Ihre Liebe nicht vergilt. Was meinen Sie? fragte Matilde. Nichts, antwortete Isabelle, der es leid that, Matilden einen Wink von Theodors Zuneigung zu ihr gegeben zu haben. Darauf änderte sie das Gespräch, und fragte Matilden: wie Manfred Theodoren für ein Gespenst halten können? Gott sey mir gnädig! antwortete Matilde, bemerkten Sie nicht, wie außerordentlich er dem Bildniß Alfonso's gleicht, in der Gallerie? Ich erwähnte es gegen Bianca, noch ehe ich ihn in Waffenrüstung sah, aber mit dem Helm auf dem Haupt, ist er das wahre Ebenbild des Gemäldes! Ich achte nicht viel auf Gemälde, sprach Isabelle, und noch weniger hab' ich den jungen Mann so aufmerksam betrachtet, als Sie gethan zu haben scheinen. Ach, Matilde! Ihr Herz ist in Gefahr. Lassen Sie sich freundschaftlich warnen.
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