Das Schloss von Otranto
dritte und vierte Glied. Kann der Himmel die Missethat der Frevler an den Reinen heimsuchen? sprach Theodor. Die reizende Matilde hat Tugenden genug – Dich unglücklich zu machen, unterbrach ihn Geronimo. Hast du sobald vergessen, daß der wilde Manfred zweymal dein Todesurtheil sprach? Ich habe eben so wenig vergessen, erwiederte Theodor, daß seiner Tochter Erbarmen mich aus seiner Hand erlöste. Unrecht kann ich vergessen, Gutthaten niemals. Das Unrecht, welches Manfreds Geschlecht dir erwiesen, sprach der Mönch, übersteigt deine Begriffe. – Antworte nicht, sondern blick auf dies geweihte Denkmal. Unter diesem Marmor ruht die Asche Alfonso des Guten. Er war ein Fürst mit jeglicher Tugend geschmückt, der Vater seines Volks, die Freude der Menschen, Knie nieder vor ihm, halsstarriger Jüngling, und horch auf. Dein Vater soll dir ein grausenvolles Geheimniß enthüllen, das jedes Gefühl aus deiner Seele treiben wird, nur den Vorsatz gottgefälliger Rache nicht. Alfonso! höchstbeleidigter Fürst! Möge dein unbefriedigter Schatten, Ehrfurcht gebietend, mich im Schauer dieser Luft umschweben, daß meine zitternden Lippen – Ein Fußtritt naht sich! Wer ist da? Die unglücklichste der Frauen, antwortete Hippolite, und trat in das Chor. Darf ich näher kommen? Warum kniet dieser junge Mann? Was seht ihr beyde so bleich und grauenvoll? Was bringt euch zu diesem verehrten Grabe? Ist ein Geist euch erschienen? Wir hatten uns vor dem Himmel niedergeworfen, antwortete der Mönch ganz verwirrt, ihn anzuflehn, daß er den Plagen dieses jammervollen Landes ein Ende mache. Verbinden Sie sich mit uns, gnädige Frau. Vielleicht erhält Ihre makellose Seele eine Ausnahme von dem Gericht, das die Schreckenszeichen dieser Tage, nur zu sprechend, über Ihr Haus verkündigen. Ich bitte Gott inbrünstig, es abzuwenden, sprach die fromme Fürstin. Sie wissen, ich habe mein Leben hingebracht, Segen für meinen Gemahl und für meine schuldlosen Kinder zu erbitten. Ach! mein Sohn ist von mir genommen! Höre nur der Himmel mein Gebet für die arme Matilde! Ehrwürdiger Vater, reden Sie für die. – Jedes Herz muß sie segnen! rief Theodor mit Entzücken. – Schweig, vorlauter Jüngling, sprach Geronimo. Liebevolle Mutter, lehnen Sie sich nicht gegen die Rathschläge des Himmels auf. Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen, der Nahme des Herrn sey gelobt! Ich lobe ihn jeden Augenblick, sprach Hippolite. Aber wird er meines einziges Trostes nicht verschonen? Muß auch Matilde sterben? Ach, ehrwürdiger Vater, ich kam – aber entlassen Sie Ihren Sohn. Was ich noch zu sagen habe, darf kein sterbliches Ohr vernehmen, als das Ihrige. Trefliche Fürstin! sagte Theodor, indem er sich entfernte, Gott wolle alles gewähren, was Ihre Hoheit begehrt! Geronimo sah finster aus. Darauf entdeckte Hippolite ihrem Gewissensrath, welchen Vorschlag sie Manfred angegeben habe; daß er ihn gebilligt, und jetzt hingegangen sey, Matilde Friedrichen anzubieten. Geronimo konnte nicht verbergen, wie sehr ihm der Anschlag misfiel; er versteckte sich aber hinter dem Vorwand, es sey ihm unwahrscheinlich: daß Friedrich, Alfonso's nächster Blutsverwandter, der sein Erbtheil zu fordern hergekommen, mit dem unrechtmäßigen Besitzer seines Eigenthums sich verschwägern würde. Aber nichts glich der Bestürzung des Klosterbruders, als ihm Hippolite gestand, sie finde sich bereit, der Ehescheidung nichts in den Weg zu legen, und ihn um seine Meinung fragte, ob sie sich bey ihrer Nachgiebigkeit beruhigen könne? Da war der Mönch sehr eifrig, den Rath zu ertheilen, den sie von ihm begehrte, und ohne zu erklären, warum er der vorhabenden Heirath zwischen Manfred und Isabellen so abgeneigt sey, schilderte er Hippoliten die Sündlichkeit ihrer Einwilligung mit den allerbeunruhigendsten Farben, drohte Gottes Gericht, wenn sie nachgäbe, und befahl ihr auf das strengste, jeden Vorschlag dieser Art, mit ausgezeichnetem Unwillen zu verwerfen.
Unterdessen hatte Manfred Friedrichen zugesprochen, und ihm die gedoppelte Verbindung vorgeschlagen. Dieser schwache Fürst war von Matildens Reizen bezaubert, und ließ sich das Anerbieten nur zu gern gefallen. Er vergaß seine Feindschaft gegen Manfred, welchen mit Gewalt aus seinem Besitz zu setzen, er wenig Hofnung vor sich sah. Vielleicht, schmeichelte er sich, werde die Verbindung seiner Tochter mit dem Tyrannen keinen Nachfolger hervorbringen, und so sey ihm, durch seine Vermählung mit Matilden, die Erbnahme
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