Das Schloß
anfangs hergebracht hatten, empfing uns, auf einer Kiste sitzend, immer mit leisem Jammern. Aber ich erinnere mich, daß wir selbst während der mühevollen Fahrten – die auch sehr beschämend waren, denn öfters begegneten wir Erntewagen, deren Begleitung vor uns verstummte und die Blicke wandte – daß wir, Barnabas und ich, selbst während dieser Fahrten es nicht unterlassen konnten von unsern Sorgen und Plänen zu sprechen, daß wir im Gespräch manchmal stehen blieben und erst das Halloh des Vaters uns an unsere Pflicht wieder erinnerte. Aber alle Besprechungen änderten auch nach der Übersiedlung unser Leben nicht, nur daß wir jetzt allmählich auch die Armut zu fühlen bekamen. Die Zuschüsse der Verwandten hörten auf, unsere Mittel waren fast zu Ende und gerade zu jener Zeit begann die Verachtung für uns, wie Du sie kennst, sich zu entwickeln. Man merkte, daß wir nicht die Kraft hatten, uns aus der Briefgeschichte herauszuarbeiten und man nahm uns das sehr übel, man unterschätzte nicht die Schwere unseres Schicksals, trotzdem man es nicht genau kannte, man hätte, wenn wir es überwunden hätten, uns entsprechend hoch geehrt, da es uns aber nicht gelungen war, tat man das, was man bisher nur vorläufig getan hatte, endgültig, man schloß uns aus jedem Kreise aus, man wußte daß man selbst die Probe wahrscheinlich nicht besser bestanden hätte als wir, aber um so notwendiger war es sich von uns völlig zu trennen. Nun sprach man von uns nicht mehr wie von Menschen, unser Familienname wurde nicht mehr genannt; wenn man von uns sprechen mußte, nannte man uns nach Barnabas, dem Unschuldigsten von uns; selbst unsere Hütte geriet in Verruf und wenn Du Dich prüfst wirst Du gestehn, daß auch Du beim ersten Eintritt die Berechtigung dieser Verachtung zu merken glaubtest; später als wieder Leute manchmal zu uns kamen, rümpften sie die Nase über ganz belanglose Dinge, etwa darüber daß die kleine Öllampe dort über dem Tisch hing. Wo sollte sie denn anders hängen, als über dem Tisch, ihnen aber erschien es unerträglich. Hängten wir aber die Lampe anderswohin, änderte sich doch nichts an ihrem Widerwillen. Alles was wir waren und hatten, traf die gleiche Verachtung.«
19 Bittgänge
»Und was taten wir unterdessen? Das Schlimmste was wir hätten tun können, etwas wofür wir gerechter hätten verachtet werden dürfen, als wofür es wirklich geschah – wir verrieten Amalia, wir rissen uns los von ihrem schweigenden Befehl, wir konnten nicht mehr so weiter leben, ganz ohne Hoffnung konnten wir nicht leben und wir begannen, jeder auf seine Art, das Schloß zu bitten oder zu bestürmen, es möge uns verzeihn. Wir wußten zwar, daß wir nicht imstande waren etwas gutzumachen, wir wußten auch, daß die einzige hoffnungsvolle Verbindung, die wir mit dem Schlosse hatten, die Sortinis, des unserem Vater geneigten Beamten, eben durch die Ereignisse uns unzugänglich geworden war, trotzdem machten wir uns an die Arbeit. Der Vater begann, es begannen die sinnlosen Bittwege zum Vorsteher, zu den Sekretären, den Advokaten, den Schreibern, meistens wurde er nicht empfangen und wenn er durch List oder Zufall doch empfangen wurde, – wie jubelten wir bei solcher Nachricht und rieben uns die Hände – wurde er äußerst schnell abgewiesen und nie wieder empfangen. Es war auch allzu leicht ihm zu antworten, das Schloß hat es immer so leicht. Was wollte er denn? Was war ihm geschehn? Wofür wollte er eine Verzeihung? Wann und von wem war denn im Schloß auch nur ein Finger gegen ihn gerührt worden? Gewiß er war verarmt, hatte die Kundschaft verloren u. s. f., aber das waren Erscheinungen des täglichen Lebens, Handwerks- und Marktangelegenheiten, sollte sich denn das Schloß um alles kümmern? Es kümmerte sich ja in Wirklichkeit um alles, aber es konnte doch nicht grob eingreifen in die Entwicklung, einfach und zu keinem andern Zweck, als dem Interesse eines einzelnen Mannes zu dienen. Sollte es etwa seine Beamten ausschicken und diese sollten den Kunden des Vaters nachlaufen und sie ihm mit Gewalt zurückbringen? Aber, wendete der Vater dann ein – wir besprachen diese Dinge alle genau zuhause vorher und nachher, in einen Winkel gedrückt, wie versteckt vor Amalia, die alles zwar merkte, aber es geschehen ließ – aber, wendete der Vater dann ein, er beklage sich ja nicht wegen der Verarmung, alles, was er hier verloren habe, wolle er leicht wieder einholen, das alles sei nebensächlich, wenn
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