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Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Angelegenheiten, daß die Akten zu kostbar oder zu umfangreich sind um mitgenommen werden zu können, solche Beamten lassen dann Galopp fahren. Jedenfalls, für den Vater kann keiner Zeit erübrigen. Und außerdem: Es gibt mehrere Zufahrten ins Schloß. Einmal ist die eine in Mode, dann fahren die meisten dort, einmal eine andere, dann drängt sich alles hin. Nach welchen Regeln dieser Wechsel stattfindet, ist noch nicht herausgefunden worden. Einmal um acht Uhr morgens fahren alle auf einer Straße, eine halbe Stunde später wieder alle auf einer andern, zehn Minuten später wieder auf einer dritten, eine halbe Stunde später vielleicht wieder auf der ersten und dort bleibt es dann den ganzen Tag, aber jeden Augenblick besteht die Möglichkeit einer Änderung. Zwar vereinigen sich in der Nähe des Dorfes alle Zufahrtsstraßen, aber dort rasen schon alle Wagen, während in der Schloßnähe das Tempo noch ein wenig gemäßigter ist. Aber so wie die Ausfahrordnung hinsichtlich der Straßen unregelmäßig und nicht zu durchschauen ist, so ist es auch mit der Zahl der Wagen. Es gibt ja oft Tage, wo gar kein Wagen zu sehen ist, dann aber fahren sie wieder in Mengen. Und allem diesen gegenüber stell Dir nun unsern Vater vor. In seinem besten Anzug, bald ist es sein einziger, zieht er jeden Morgen von unsern Segenswünschen begleitet aus dem Haus. Ein kleines Abzeichen der Feuerwehr, das er eigentlich zu Unrecht behalten hat, nimmt er mit, um es außerhalb des Dorfs anzustecken, im Dorf selbst fürchtet er es zu zeigen, trotzdem es so klein ist, daß man es auf zwei Schritt Entfernung kaum sieht, aber nach des Vaters Meinung soll es sogar geeignet sein, die vorüberfahrenden Beamten auf ihn aufmerksam zu machen. Nicht weit vom Zugang zum Schloß ist eine Handelsgärtnerei, sie gehört einem gewissen Bertuch, er liefert Gemüse ins Schloß, dort auf dem schmalen Steinpostament des Gartengitters wählte sich der Vater einen Platz. Bertuch duldete es, weil er früher mit dem Vater befreundet gewesen war und auch zu seinen treuesten Kundschaften gehört hatte; er hat nämlich einen etwas verkrüppelten Fuß und glaubte, nur der Vater sei imstande ihm einen passenden Stiefel zu machen. Dort saß nun der Vater Tag für Tag, es war ein trüber regnerischer Herbst, aber das Wetter war ihm völlig gleichgültig, morgens zu bestimmter Stunde hatte er die Hand an der Klinke und winkte uns zum Abschied zu, abends kam er, es schien als werde er täglich gebückter, völlig durchnäßt zurück und warf sich in eine Ecke. Zuerst erzählte er uns von seinen kleinen Erlebnissen, etwa daß ihm Bertuch aus Mitleid und alter Freundschaft eine Decke über das Gitter zugeworfen hatte, oder daß er im vorüberfahrenden Wagen den und jenen Beamten zu erkennen geglaubt habe oder daß wieder ihn schon hie und da ein Kutscher erkenne und zum Scherz leicht mit dem Peitschenriemen streife. Später hörte er dann diese Dinge zu erzählen auf, offenbar hoffte er nicht mehr auch nur irgendetwas dort zu erreichen, er hielt es schon nur für seine Pflicht, seinen öden Beruf, hinzugehn und dort den Tag zu verbringen. Damals begannen seine rheumatischen Schmerzen, der Winter näherte sich, es kam früher Schneefall, bei uns fängt der Winter sehr bald an, nun und so saß er dort einmal auf den regennassen Steinen, dann wieder im Schnee. In der Nacht seufzte er vor Schmerzen, morgens war er manchmal unsicher, ob er gehen sollte, überwand sich dann aber doch und ging. Die Mutter hing sich an ihn und wollte ihn nicht fortlassen, er, wahrscheinlich furchtsam geworden infolge der nicht mehr gehorsamen Glieder, erlaubte ihr mitzugehn, so wurde auch die Mutter von den Schmerzen gepackt. Wir waren oft bei ihnen, brachten Essen oder kamen nur zu Besuch oder wollten sie zur Rückkehr nachhause überreden, wie oft fanden wir sie dort, zusammengesunken und aneinanderlehnend auf ihrem schmalen Sitz, gekauert in eine dünne Decke, die sie kaum umschloß, ringsherum nichts als das Grau von Schnee und Nebel und weit und breit und tagelang kein Mensch oder Wagen, ein Anblick, K., ein Anblick! Bis dann eines Morgens der Vater die steifen Beine nicht mehr aus dem Bett brachte; er war trostlos, in einer leichten Fieberphantasie glaubte er zu sehn, wie eben jetzt oben bei Bertuch ein Wagen haltmachte, ein Beamter ausstieg, das Gitter nach dem Vater absuchte und kopfschüttelnd und ärgerlich wieder in den Wagen zurückkehrte. Der Vater stieß dabei solche Schreie aus, daß es

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