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Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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ungewollte Verletzung unbekannter Vorschriften seine Stelle verlieren, wagt er niemanden anzusprechen; so unsicher fühlt er sich; diese doch eigentlich jämmerliche Unsicherheit beleuchtet mir seine Stellung schärfer als alle Beschreibungen. Wie zweifelhaft und drohend muß ihm dort alles erscheinen, wenn er nicht einmal zu einer unschuldigen Frage den Mund aufzutun wagt. Wenn ich das überlege, klage ich mich an, daß ich ihn allein in jenen unbekannten Räumen lasse, wo es derart zugeht, daß sogar er, der eher waghalsig als feig ist, dort vor Furcht wahrscheinlich zittert.«
    »Hier glaube ich kommst Du zu dem Entscheidenden«, sagte K. »Das ist es. Nach allem was Du erzählt hast, glaube ich jetzt klar zu sehn. Barnabas ist zu jung für diese Aufgabe. Nichts von dem was er erzählt kann man ohne weiters ernstnehmen. Da er oben vor Furcht vergeht, kann er dort nicht beobachten und zwingt man ihn hier dennoch zu berichten, erhält man verwirrte Märchen. Ich wundere mich nicht darüber. Die Ehrfurcht vor der Behörde ist Euch hier eingeboren, wird Euch weiter während des ganzen Lebens auf die verschiedensten Arten und von allen Seiten eingeflößt und Ihr selbst helft dabei mit, wie Ihr nur könnt. Doch sage ich im Grunde nichts dagegen; wenn eine Behörde gut ist, warum sollte man vor ihr nicht Ehrfurcht haben. Nur darf man dann nicht einen unbelehrten Jüngling wie Barnabas, der über den Umkreis des Dorfes nicht hinausgekommen ist, plötzlich ins Schloß schicken und dann wahrheitsgetreue Berichte von ihm verlangen wollen und jedes seiner Worte wie ein Offenbarungswort untersuchen und von der Deutung das eigene Lebensglück abhängig machen. Nichts kann verfehlter sein. Freilich habe auch ich nicht anders wie Du mich von ihm beirren lassen und sowohl Hoffnungen auf ihn gesetzt, als Enttäuschungen durch ihn erlitten, die beide nur auf seinen Worten, also fast gar nicht begründet waren.« Olga schwieg. »Es wird mir nicht leicht«, sagte K., »Dich in dem Vertrauen zu Deinem Bruder zu beirren, da ich doch sehe, wie Du ihn liebst und was Du von ihm erwartest. Es muß aber geschehn und nicht zum wenigsten Deiner Liebe und Deiner Erwartungen wegen. Denn sieh, immer wieder hindert Dich etwas – ich weiß nicht was es ist – voll zu erkennen, was Barnabas nicht etwa erreicht hat, aber was ihm geschenkt worden ist. Er darf in die Kanzleien oder wenn Du es so willst, in einen Vorraum, nun dann ist also ein Vorraum, aber es sind Türen da, die weiter führen, Barrieren, die man durchschreiten kann, wenn man das Geschick dazu hat. Mir z.B. ist dieser Vorraum, wenigstens vorläufig, völlig unzugänglich. Mit wem Barnabas dort spricht, weiß ich nicht, vielleicht ist jener Schreiber der niedrigste der Diener, aber auch wenn er der niedrigste ist kann er zu dem nächst höheren führen und wenn er nicht zu ihm führen kann, so kann er ihn doch wenigstens nennen und wenn er ihn nicht nennen kann so kann er doch auf jemanden verweisen, der ihn wird nennen können. Der angebliche Klamm mag mit dem wirklichen nicht das Geringste gemeinsam haben, die Ähnlichkeit mag nur für die vor Aufregung blinden Augen des Barnabas bestehn, er mag der niedrigste der Beamten, er mag noch nicht einmal Beamter sein, aber irgendeine Aufgabe hat er doch bei jenem Pult, irgendetwas liest er in seinem großen Buch, irgendetwas flüstert er dem Schreiber zu, irgendetwas denkt er, wenn einmal in langer Zeit sein Blick auf Barnabas fällt, und selbst wenn das alles nicht wahr ist und er und seine Handlungen gar nichts bedeuten, so hat ihn doch jemand dort hingestellt und hat dies mit irgendeiner Absicht getan. Mit dem allen will ich sagen, daß irgendetwas da ist, irgendetwas dem Barnabas angeboten wird, wenigstens irgendetwas und daß es nur die Schuld des Barnabas ist, wenn er damit nichts anderes erreichen kann, als Zweifel, Angst und Hoffnungslosigkeit. Und dabei bin ich ja immer noch von dem ungünstigsten Fall ausgegangen, der sogar sehr unwahrscheinlich ist. Denn wir haben ja die Briefe in der Hand, denen ich zwar nicht viel traue, aber viel mehr als des Barnabas Worten. Mögen es auch alte wertlose Briefe sein, die wahllos aus einem Haufen genau so wertloser Briefe hervorgezogen wurden, wahllos und mit nicht mehr Verstand, als die Kanarienvögel auf den Jahrmärkten aufwenden, um das Lebenslos eines Beliebigen aus einem Haufen herauszupicken, mag das so sein, so haben diese Briefe doch wenigstens irgendeinen Bezug auf meine Arbeit,

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