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Das Schloß

Das Schloß

Titel: Das Schloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Unterschiede auf keine Zauberei zurück, sondern sind sehr begreiflich, entstehen durch die augenblickliche Stimmung, den Grad der Aufregung, die unzähligen Abstufungen der Hoffnung oder Verzweiflung, in welcher sich der Zuschauer, der überdies meist nur augenblicksweise Klamm sehen darf, befindet, ich erzähle Dir das alles wieder, so wie es mir Barnabas oft erklärt hat und man kann sich im allgemeinen, wenn man nicht persönlich unmittelbar an der Sache beteiligt ist, damit beruhigen. Wir können es nicht, für Barnabas ist es eine Lebensfrage, ob er wirklich mit Klamm spricht oder nicht.« »Für mich nicht minder«, sagte K. und sie rückten noch näher zusammen auf der Ofenbank. Durch alle die ungünstigen Neuigkeiten Olgas war K. zwar betroffen, doch sah er einen Ausgleich zum großen Teile darin, daß er hier Menschen fand, denen es, wenigstens äußerlich, sehr ähnlich ging wie ihm selbst, denen er sich also anschließen konnte, mit denen er sich in vielem verständigen konnte, nicht nur in manchem wie mit Frieda. Zwar verlor er allmählich die Hoffnung auf einen Erfolg der Barnabas’schen Botschaft, aber je schlechter es Barnabas oben ging, desto näher kam er ihm hier unten, niemals hätte K. gedacht, daß aus dem Dorf selbst ein derart unglückliches Bestreben hervorgehen könnte, wie es das des Barnabas und seiner Schwester war. Es war freilich noch beiweitem nicht genug erklärt und konnte sich schließlich noch ins Gegenteil wenden, man mußte durch das gewiß unschuldige Wesen Olgas sich nicht gleich verführen lassen auch an die Aufrichtigkeit des Barnabas zu glauben. »Die Berichte über Klamms Aussehn«, fuhr Olga fort, »kennt Barnabas sehr gut, hat viele gesammelt und verglichen, vielleicht zu viele, hat einmal selbst Klamm im Dorf durch ein Wagenfenster gesehn oder zu sehn geglaubt, war also genügend vorbereitet, ihn zu erkennen und hat doch – wie erklärst Du es Dir? – als er im Schloß in eine Kanzlei kam und man ihm unter mehreren Beamten einen zeigte und sagte, daß dieser Klamm sei, ihn nicht erkannt und auch nachher noch lange sich nicht daran gewöhnen können, daß es Klamm sein sollte. Fragst Du nun aber Barnabas, worin sich jener Mann von der üblichen Vorstellung die man von Klamm hat unterscheidet, kann er nicht antworten, vielmehr er antwortet und beschreibt den Beamten im Schloß, aber diese Beschreibung deckt sich genau mit der Beschreibung Klamms, wie wir sie kennen. ‚Nun also Barnabas›, sage ich, ‚warum zweifelst Du, warum quälst Du Dich.› Worauf er dann in sichtlicher Bedrängnis, Besonderheiten des Beamten im Schloß aufzuzählen beginnt, die er aber mehr zu erfinden als zu berichten scheint, die aber außerdem so geringfügig sind – sie betreffen z.B. ein besonderes Nicken des Kopfes oder auch nur die aufgeknöpfte Weste – daß man sie unmöglich ernst nehmen kann. Noch wichtiger scheint mir die Art wie Klamm mit Barnabas verkehrt. Barnabas hat es mir oft beschrieben, sogar gezeichnet. Gewöhnlich wird Barnabas in ein großes Kanzleizimmer geführt, aber es ist nicht Klamms Kanzlei, überhaupt nicht die Kanzlei eines Einzelnen. Der Länge nach ist dieses Zimmer durch ein einziges, von Seitenwand zu Seitenwand reichendes Stehpult in zwei Teile geteilt, einen schmalen, wo einander zwei Personen nur knapp ausweichen können, das ist der Raum der Beamten, und einen breiten, das ist der Raum der Parteien, der Zuschauer, der Diener, der Boten. Auf dem Pult liegen aufgeschlagen große Bücher, eines neben dem andern und bei den meisten stehen Beamte und lesen darin. Doch bleiben sie nicht immer beim gleichen Buch, tauschen aber nicht die Bücher, sondern die Plätze, am erstaunlichsten ist es Barnabas, wie sie sich bei solchem Plätzewechsel an einander vorbeidrücken müssen, eben wegen der Enge des Raums. Vorn eng am Stehpult sind niedrige Tischchen, an denen Schreiber sitzen, welche, wenn die Beamten es wünschen, nach ihrem Diktat schreiben. Immer wundert sich Barnabas, wie das geschieht. Es erfolgt kein ausdrücklicher Befehl des Beamten, auch wird nicht laut diktiert, man merkt kaum daß diktiert wird, vielmehr scheint der Beamte zu lesen wie früher, nur daß er dabei auch noch flüstert und der Schreiber hörts. Oft diktiert der Beamte so leise, daß der Schreiber es sitzend gar nicht hören kann, dann muß er immer aufspringen, das Diktierte auffangen, schnell sich setzen und es aufschreiben, dann wieder aufspringen u. s. f. Wie merkwürdig das

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