Das Schloß
ist! Es ist fast unverständlich. Barnabas freilich hat genug Zeit das alles zu beobachten, denn dort in dem Zuschauerraum steht er stunden- und manchmal tagelang, ehe Klamms Blick auf ihn fällt. Und auch wenn ihn Klamm schon gesehen hat und Barnabas sich in Habt-acht-Stellung aufrichtet, ist noch nichts entschieden, denn Klamm kann sich wieder von ihm dem Buch zuwenden und ihn vergessen, so geschieht es oft. Was ist es aber für ein Botendienst, der so unwichtig ist? Mir wird wehmütig, wenn Barnabas früh sagt, daß er ins Schloß geht. Dieser wahrscheinlich ganz unnütze Weg, dieser wahrscheinlich verlorene Tag, diese wahrscheinlich vergebliche Hoffnung. Was soll das alles? Und hier ist Schusterarbeit aufgehäuft, die niemand macht und auf deren Ausführung Brunswick drängt.« »Nun gut«, sagte K., »Barnabas muß lange warten, ehe er einen Auftrag bekommt. Das ist verständlich, es scheint hier ja ein Übermaß von Angestellten zu sein, nicht jeder kann jeden Tag einen Auftrag bekommen, darüber müßt Ihr nicht klagen, das trifft wohl jeden. Schließlich aber bekommt doch wohl auch Barnabas Aufträge, mir selbst hat er schon zwei Briefe gebracht.« »Es ist ja möglich«, sagte Olga, »daß wir Unrecht haben zu klagen, besonders ich, die alles nur vom Hörensagen kennt und es als Mädchen auch nicht so gut verstehen kann, wie Barnabas, der ja auch noch manches zurückhält. Aber nun höre wie es sich mit den Briefen verhält, mit den Briefen an Dich z.B. Diese Briefe bekommt er nicht unmittelbar von Klamm, sondern vom Schreiber. An einem beliebigen Tag, zu beliebiger Stunde – deshalb ist auch der Dienst, so leicht er scheint, sehr ermüdend, denn Barnabas muß immerfort aufpassen – erinnert sich der Schreiber an ihn und winkt ihm. Klamm scheint das gar nicht veranlaßt zu haben, er liest ruhig in seinem Buch, manchmal allerdings, aber das tut er auch sonst öfters, putzt er gerade den Zwicker, wenn Barnabas kommt, und sieht ihn dabei vielleicht an, vorausgesetzt daß er ohne Zwicker überhaupt sieht, Barnabas bezweifelt es, Klamm hat dann die Augen fast geschlossen, er scheint zu schlafen und nur im Traum den Zwicker zu putzen. Inzwischen sucht der Schreiber aus den vielen Akten und Briefschaften, die er unter dem Tisch hat, einen Brief für Dich heraus, es ist also kein Brief den er gerade geschrieben hat, vielmehr ist es dem Aussehen des Umschlags nach ein sehr alter Brief, der schon lange dort liegt. Wenn es aber ein alter Brief ist, warum hat man Barnabas so lange warten lassen? Und wohl auch Dich? Und schließlich auch den Brief, denn er ist ja jetzt wohl schon veraltet. Und Barnabas bringt man dadurch in den Ruf, ein schlechter langsamer Bote zu sein. Der Schreiber allerdings macht es sich leicht, gibt Barnabas den Brief, sagt: ‚Von Klamm für K.› und damit ist Barnabas entlassen. Nun und dann kommt Barnabas nachhause, atemlos, den endlich ergatterten Brief unter dem Hemd am bloßen Leib und wir setzen uns dann hierher auf die Bank wie jetzt und er erzählt und wir untersuchen dann alles einzeln und schätzen ab, was er erreicht hat und finden schließlich, daß es sehr wenig ist und das wenige fragwürdig und Barnabas legt den Brief weg und hat keine Lust ihn zu bestellen, hat aber auch keine Lust schlafenzugehn, nimmt die Schusterarbeit vor und versitzt dort auf dem Schemel die Nacht. So ist es, K., und das sind meine Geheimnisse und nun wunderst Du Dich wohl nicht mehr, daß Amalia auf sie verzichtet.« »Und der Brief?« fragte K. »Der Brief?« sagte Olga, »nun nach einiger Zeit, wenn ich Barnabas genug gedrängt habe, es können Tage und Wochen inzwischen vergangen sein, nimmt er doch den Brief und geht ihn zustellen. In solchen Äußerlichkeiten ist er doch sehr abhängig von mir. Ich kann mich nämlich, wenn ich den ersten Eindruck seiner Erzählung überwunden habe, dann auch wieder fassen, was er, wahrscheinlich weil er eben mehr weiß, nicht imstande ist. Und so kann ich ihm dann immer wieder etwa sagen: ‚Was willst Du denn eigentlich Barnabas? Von was für einer Laufbahn, was für einem Ziele träumst Du? Willst Du vielleicht so weit kommen, daß Du uns, daß Du mich gänzlich verlassen mußt? Ist das etwa Dein Ziel? Muß ich das nicht glauben, da es ja sonst unverständlich wäre, warum Du mit dem schon Erreichten so entsetzlich unzufrieden bist? Sieh Dich doch um, ob jemand unter unsern Nachbarn schon so weit gekommen ist. Freilich ihre Lage ist anders als die unsrige und sie
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