Das schoenste Geschenk
unterbrach Donna sie. »Du weißt, wie sehr sie sich wünschte, dass du die Stelle als Lehrerin annahmst. Sie ist vierundneunzig Jahre alt geworden. Den wenigsten Menschen ist ein so langes Leben vergönnt. Und sie war bis zur letzten Minute eine energische alte Dame.«
Sharon lachte. »Da hast du recht. Manchmal habe ich das Gefühl, sie sitzt in ihrem Schaukelstuhl in der Küche und passt auf, dass ich auch das Geschirr spüle.«
»Ich bin froh, dass du wieder hier bist«, meinte Donna lächelnd. »Wir haben dich vermisst.«
Sharon lehnte sich lässig an die Theke. »Wo ist Benji?«
»Dave passt auf ihn auf.« Donna sah richtig stolz aus, wenn sie von ihrem Mann und dem kleinen Sohn sprach. »Wenn ich den Wildfang frei im Laden herumlaufen lasse, gibt es immer Ärger. Nach dem Mittagessen übernimmt Dave das Geschäft, und ich gehe nach oben.«
»Es ist schon sehr praktisch, dass ihr direkt über eurem Laden wohnt«, bemerkte Sharon.
Das war das Stichwort, auf das Donna gewartet hatte. Sofort ging sie auf das Thema ein. »Sharon, trägst du dich immer noch mit dem Gedanken, dein Haus umzubauen?«
»Ich bin fest entschlossen«, erklärte Sharon. »Ein kleiner Antiquitätenladen hat in dieser Gegend bestimmt Aussicht auf Erfolg, zumal mit dem Museum, das ich angliedern will.«
»Aber ein eigenes Geschäft ist ein solches Risiko«, gab Donna zu bedenken, die der Glanz in Sharons Augen beunruhigte. Er zeigte sich immer dann, wenn sie einen ihrer waghalsigen Pläne ausheckte. »Denk doch nur an die Ausgaben …«
»Ich habe genug Geld«, tat Sharon Donnas pessimistischen Einwand ab. »Und genug Ware, um den Laden fürs Erste zu füllen. Das Haus ist vollgestellt mit Antiquitäten. Ich werde diesen Plan verwirklichen, Donna«, versicherte sie, um die Skepsis der Freundin zu zerstreuen. »Mein eigenes Haus, mein eigenes Geschäft.« Sie deutete auf die gefüllten Regale ringsum. »Gerade du solltest das doch verstehen.«
»Ja, aber ich habe Dave, der mir hilft und in jeder Situation zur Seite steht. Ich glaube nicht, dass ich das Geschäft ganz allein führen könnte.«
»Es wird schon gut gehen. Ich weiß bereits ganz genau, wie alles aussehen wird, wenn es fertig ist.«
Versonnen blickte sie vor sich hin.
»Aber bedenke doch nur die Umbauten.«
»An der Architektur des Hauses werde ich nichts ändern«, erklärte Sharon. »Das Wichtigste sind die Reparaturen, und die hätte ich ohnehin vornehmen müssen.«
»Aber du brauchst einen Gewerbeschein und alle möglichen anderen Papiere.«
»Ich habe bereits alles beantragt.«
Donnas resignierten Seufzer tat sie mit einem sorglosen Lachen ab. »Die Lage meines Landes ist zwar nicht erstklassig, aber ich weiß genug über Antiquitäten, und ich kann dir jede Schlacht des amerikanischen Bürgerkrieges auswendig hersagen.«
Donna konnte auf diese Behauptung nicht näher eingehen, denn in diesem Moment bimmelte die Ladenglocke, und ein Kunde trat ein. »Hallo, Stuart«, begrüßte sie den jungen Mann, mit dem sie die nächsten zehn Minuten die Neuigkeiten des kleinen Ortes besprach, während sie seine Einkäufe zusammenpackte und das Geld kassierte.
»Stuart ist noch immer ganz der Alte«, sagte Donna, nachdem der junge Mann den Laden verlassen hatte. »Kannst du dich noch an unsere Schulzeit erinnern? Er war ein paar Klassen über uns, Kapitän der Fußballmannschaft und sogar im verschwitzten Trainingsanzug noch der bestaussehende Junge.«
»Dafür hat er nie viel im Kopf gehabt«, bemerkte Sharon trocken.
»Ich weiß, du warst immer mehr für die intellektuellen Typen. Hej,«, fuhr sie fort, ehe Sharon etwas erwidern konnte, »ich habe vielleicht einen für dich.«
»Was hast du?«
»Einen Intellektuellen. So kommt er mir wenigstens vor. Er ist außerdem dein Nachbar«, fügte sie mit verschmitztem Lächeln hinzu.
»Mein Nachbar?«, fragte Sharon verständnislos.
»Er hat das Haus vom alten Farley gekauft. Letzte Woche ist er eingezogen.«
»Das Haus vom alten Farley?« Fragend hob Sharon die Brauen. »Nach dem Feuer damals ist doch von dem Haus nicht mehr viel übrig geblieben. Welcher Dummkopf kauft denn so einen heruntergekommenen Schuppen?«
»Er heißt Victor Banning und kommt aus Washington«, erklärte Donna.
Sharon zuckte die Schultern. »Das Land ist wahrscheinlich einiges wert, auch wenn mit dem Haus nicht mehr viel anzufangen ist.« Sie ging zu einem Regal, nahm sich ein Pfund Kaffee heraus und stellte die Dose auf den Ladentisch.
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