Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
erkundigte ich mich.
Obwohl Ross mir das nicht sagen konnte, war ich mir sicher, dass ich auf einer alten Karte dieser Gegend ein Cottage finden würde – das von John Drummond.
Ich ließ die Finger kurz über den Grabstein von Sophias Schwester gleiten, bevor wir uns wieder auf den Weg machten.
Unser nächster Halt war ein Feld. »Siehst du da drüben?«, fragte Ross und deutete auf einen Fluss. »Dort hatte unser gemeinsamer Vorfahre, der alte Hugh Maclellan, eine Farm, auf der seine Söhne zur Welt kamen. Er starb, bevor die beiden nach Irland zu den Ulster-Schotten geschickt wurden.«
David John McClelland – warum die Schreibweise des Namens verändert worden war, wusste ich nicht – und sein Bruder William waren nach Irland gegangen, wo sich ihre Spur verlor, bis sie beide zurückkehrten, um in Schottland zu heiraten. William lernte seine spätere Frau zuerst kennen und blieb, vermutlich zur Enttäuschung der schottischen Siedler in Irland, in Kirkcudbright, wo er bereits als junger Mann das Zeitliche segnete und nur einen Sohn hinterließ, den Ahnen von Ross’ Familie.
»Möchtest du das Haus sehen, in dem William lebte, nachdem er von Irland zurückgekommen war?«
Obwohl William nicht zu meinem Zweig der Familie gehörte, machte ich Ross die Freude, und so fuhren wir nach Kirkcudbright hinein.
Ich fand den Ort mit seinen dicht an dicht stehenden, in sanften Gelb-, Grau-, Rosa- und Blautönen oder in rotem beziehungsweise dunklem Stein gehaltenen Häusern sowie den ordentlich gestrichenen Fensterrahmen, sauberen Eisengeländern und zahllosen Kaminen ausgesprochen hübsch.
Die High Street hatte eine ungewöhnliche L-Form und beherbergte nur wenige Geschäfte.
»Hier hat es immer schon so ausgeschaut«, sagte Ross, während er den Wagen abstellte.
Williams Haus, ein viereckiges Steingebäude, drängte sich dicht an seine Nachbarn und hatte eine leuchtend grüne Tür und Fenster, die geöffnet waren, um die warme Frühlingsluft hereinzulassen.
»Ganz sicher bin ich mir nicht«, erklärte Ross, »aber die Beschreibungen in den Briefen passen. Schade, dass du nicht letztes Jahr gekommen bist, da war es noch eine Frühstückspension, und ich hätte es dir auch von innen zeigen können. Inzwischen gehört es einem Künstler aus Glasgow. In der Gegend leben viele Künstler.«
Ich holte die Kamera heraus und begann, Bilder von der Straße, der Tür und den Fenstern zu machen … besonders von einem ganz hinten. Zu Ross sagte ich: »Ich glaube, David McClelland war auch einmal hier.«
»Aye, gut möglich.«
Leider besaß ich nicht die Geistesgegenwart, einfach zu klopfen und den Künstler aus Glasgow um eine kleine Führung durchs Haus zu bitten, besonders in den Raum ganz hinten mit dem Fenster, das mich wie magisch anzog.
Ich wollte Ross als Dank für seine Rundfahrt zum Essen einladen. »Nein, nein, nicht nötig«, winkte er ab. »Meine Schwägerin wartet bestimmt schon auf mich. Ich bin lange genug weg. Aber es war mir ein Vergnügen, dich endlich persönlich kennengelernt zu haben.«
Wir verabschiedeten uns mit einem Händedruck, aus dem ganz spontan eine Umarmung wurde.
»Ach«, sagte er, als wir uns wieder voneinander lösten, »das hätte ich fast vergessen. Ich wollte dir ja noch einen Katalog geben.«
»Einen Katalog?«
»Aye, für die Auktion. Deinem Vater hab ich schon letzte Woche einen geschickt, aber vielleicht möchtest du auch einen. Es geht um die New Yorker McClellands, Tom und Clare.«
»Ach.« Tom war ein ferner Cousin meines Vaters, dessen Linie ebenfalls auf Sophia und David zurückging. In seinem Besitz befanden sich die meisten Erbstücke bis auf unsere Familienbibel. Tom und seine Frau schlugen immer wieder Gegenstände los, um ihren extravaganten Lebensstil zu finanzieren. Meinen Vater machte das wütend, weil wir oft erst hinterher von dem Verkauf erfuhren.
Ich warf einen Blick auf den Katalog, um festzustellen, wann die Auktion stattfinden würde: am folgenden Freitag.
»Es wundert mich, dass Tom und Clare überhaupt noch etwas zu versteigern haben. Ich dachte, sie hätten mittlerweile alles verkauft.«
»Diesmal ist es auch nicht viel, nur ein, zwei Tischchen und ein bisschen Schmuck.«
Ich bedankte mich für den Katalog und steckte ihn in meine Tasche.
Nach dem Essen machte ich einen Spaziergang und setzte mich eine Stunde lang auf eine Bank hinter der Greyfriars Church am Hafen, den ich mir anders vorgestellt hatte. Vor langer Zeit war der große schottische
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