Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
Mutter.«
Sie weinte nicht, als ihre Tochter sich an der Tür nach ihr umdrehte, sondern trat ans Fenster, an dem noch immer der eisige Wind rüttelte.
Die Countess blieb schweigend neben dem Kamin stehen.
»Dieser Ort hält mein Herz in seinem Bann«, sagte Sophia. »Ich lasse den größten Teil von mir hier bei Anna zurück.«
»Ich weiß, auch ich habe von meinen Töchtern Abschied genommen«, tröstete die Countess sie. »Und dich muss ich ebenfalls ziehen lassen.«
Sophia sah die Trauer in ihren Augen.
»Es ist nie einfach, sich von einem Kind zu verabschieden«, sagte die Countess, nahm sie in die Arme und strich ihr übers Haar. »Aber du wirst es überstehen.«
»Wie können Sie sich da so sicher sein?«
»Dein Herz schlägt hier. Ich werde darauf aufpassen, und eines Tages wird es dich vielleicht nach Slains zurückbringen.«
Siebzehn
»Nein, so kannst du die Geschichte nicht enden lassen. Das ist viel zu traurig«, sagte Jane und knallte die letzten Seiten des Manuskripts auf den dunklen Holztisch des Kilmarnock Arms, so dass unsere Teller klapperten.
»Aber so ist es gewesen.«
»Egal. Schlimm genug, dass du den Mann von dem armen Mädchen umgebracht hast, aber dass sie nun auch noch ihr Kind verlässt …« Sie schüttelte ungläubig den Kopf.
»Jane …«
»Das ist nicht richtig«, erklärte sie. »Eine Mutter würde so etwas nicht tun.«
»Hm, ich weiß nicht.« Ich glaubte, Sophias Beweggründe zu verstehen, auch wenn ich selbst keine Kinder hatte, doch meine Erklärungsversuche interessierten Jane nicht.
»Wie gesagt: Das Ende ist viel zu traurig. Du wirst es ändern müssen.«
»Das kann ich nicht.«
»Natürlich geht das. Hol Moray von Frankreich oder Flandern oder wo auch immer zurück.«
»Aber er ist gefallen.« Ich hielt ihr die Ausdrucke hin, die Graham mir gegeben hatte. »Siehst du? Da, auf Seite drei. John Moray, seinen Wunden erlegen.«
Sie warf einen zweifelnden Blick darauf.
»Hier steht es schwarz auf weiß«, sagte ich. »Da sind Moray, seine Schwester und sein Onkel Patrick Graeme. Ich kann nicht einfach das Schicksal echter Menschen ändern, Jane. Die Geschichte lässt sich nicht umschreiben.«
»Sophia ist nicht real, sondern eine Figur in einem Roman, deine Schöpfung«, widersprach Jane. »Du wirst ihr doch irgendwie ein Happy End schreiben können.« Sie schob mir mein Manuskript hin. »Versuch’s wenigstens. Dein Abgabetermin ist erst in ein paar Wochen. Übrigens …« Sie nahm einen Schluck Kaffee. »Was soll ich sagen, wenn man mich fragt, was du als Nächstes schreiben willst? Du hast was von Italien erwähnt, aber an die Einzelheiten erinnere ich mich nicht mehr.«
Auch ich nahm einen Schluck Kaffee. »Eigentlich«, antwortete ich, »hatte ich vor, noch eine Weile in Schottland zu bleiben.«
»Ach.« Sie spitzte die Ohren.
»Ich hab da so eine Idee für einen Roman über einen der schottischen Könige im fünfzehnten Jahrhundert, James I. Er führte ein ziemlich abenteuerliches Leben und wurde am Ende von einem Verräter ermordet. Es gibt ein langes viktorianisches Gedicht mit dem Titel ›The King’s Tragedy‹ über ihn. Ich möchte die Geschichte aus der Perspektive seiner Frau erzählen …«
»Wurde die auch umgebracht?«, fragte Jane trocken.
»Nein.«
»Gott sei Dank. Ich hatte schon befürchtet, es könnte ein neuer Trend in deinen Büchern werden, alle Identifikationsfiguren über die Klinge springen zu lassen.« Sie sah mich über den Rand ihrer Tasse hinweg an. »Interessante Story, wird dem Verlag gefallen. Schottland verkauft sich.«
»Ja, das hast du schon mal gesagt.«
»Und natürlich würde es mich freuen, wenn du hier in der Nähe wärst – immer vorausgesetzt, du entscheidest dich für Cruden Bay.«
»Mir gefällt das Cottage.«
»Ja, das weiß ich. Ich dachte nur, das Recherchieren wäre vielleicht weniger anstrengend, wenn du in der Nähe einer Uni mit anständiger Bibliothek wohnen würdest.« Sie sah mich von der Seite an. »Zum Beispiel in Aberdeen.«
Ich wollte gerade eine unverbindliche Bemerkung machen, als jemand an die Fensterscheibe klopfte. Stuart signalisierte mit einer Geste, dass er hereinkommen würde.
Jane hob fragend eine Augenbraue. »Ist das ein Freund von dir?«
»Der Sohn von meinem Vermieter.«
»Tatsächlich?« Es war ihr anzusehen, was sie dachte.
Da trat Stuart ein, Graham im Schlepptau, der mich mit einem Lächeln begrüßte, sich aber im Hintergrund hielt, während ich alle
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