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Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Rezept vom Ladentisch einer geschäftigen Apotheke beim Krankenhaus klaute. Er überdeckte das Gekritzel des rechtmäßigen Arztes mit Schreibmaschinenkorrekturflüssigkeit und fotokopierte das Blankorezept. Das erste Rezept, das er schrieb, war eine Kopie des gestohlenen, und er brachte es in die Apotheke zurück, daher wurde nichts vermißt.
    Der Dummkopfeffekt in seinen feinen Zügen war nicht angenehm, und er wußte, daß das Silikon sich verteilen würde, wenn er nicht vorsichtig war, aber bis zu seiner Ankunft in Rio würde es gehen.
    Als seine Hobbies ihn ganz in Anspruch zu nehmen begannen -
    lange vor seiner ersten Verhaftung -, hatte Dr. Lecter Vorkehrungen für eine Zeit getroffen, wenn er vielleicht auf der Flucht sein würde. In der Mauer eines Ferienhäuschens am Ufer des Susque-hanna River waren Geld und die Ausweispapiere einer anderen Identität, einschließlich eines Passes und den kosmetischen Hilfs-mitteln, die er für die Paßfotos getragen hatte. Der Paß wäre inzwischen abgelaufen, doch man könnte ihn sehr schnell erneuern.
    Da er es vorzog, mit einem großen Tourabzeichen an der Brust durch den Zoll getrieben zu werden, hatte er bereits eine gräßlich klingende Rundreise mit der Bezeichnung ›Südamerikanische Pracht‹ gebucht, die ihn bis Rio bringen würde.
    Er erinnerte sich daran, für die Hotelrechnung lieber einen Scheck auf den verstorbenen Lloyd Wyman auszustellen und so den zusätzlichen fünftägigen Vorsprung zu bekommen, während der Scheck die Bankmaschinerie durchlief, als eine Amex-Kredit-kartenbelastung in den Computer zu speichern.
    An diesem Abend holte er seine Korrespondenz auf, die er durch einen Postauftragsdienst in London würde versenden müssen.
    Als erstes schickte er Barney ein großzügiges Trinkgeld und eine Danknotiz für seine vielen Gefälligkeiten in der Anstalt.
    Als nächstes verfaßte er eine Notiz an Fredrick Chilton in Bundesschutzhaft, in der er andeutete, daß er Dr. Chilton in nächster Zukunft einen Besuch abstatten würde. Nach diesem Besuch, so schrieb er, wäre es für das Krankenhaus sinnvoll, Ernährungsan-weisungen auf Chiltons Stirn zu tätowieren, um Schreibarbeit zu ersparen.
    Schließlich goß er sich ein Glas des ausgezeichneten Bätard-Montrachet ein und schrieb an Clarice Starling: Nun, Clarice, haben die Lämmer aufgehört zu schreien?
    Sie schulden mir eine Information, das wissen Sie.
    Eine Anzeige in der nationalen Ausgabe der Times und in der International Herald-Tribune am ersten jedes Monats wäre ausgezeichnet. Setzen Sie sie lieber in die China Mail.
    Ich werde nicht überrascht sein, wenn die Antwort ja und nein ist. Für den Moment werden die Lämmer aufhören. Aber, Clarice, Sie beurteilen sich selbst mit der ganzen Gnade der Kerkerwaage in Threave; Sie werden es immer und immer wie -
    der verdienen müssen, das gepriesene Schweigen. Denn es ist die Misere, die Sie antreibt, die Misere zu sehen, und die Misere wird nie enden, niemals.
    Ich habe keine Pläne, Sie zu besuchen, Clarice, da die Welt mit Ihnen darin interessanter ist. Vergessen Sie nicht, mir die gleiche Gefälligkeit zu erweisen.
    Dr. Lecter berührte mit dem Stift die Lippen und lächelte.
    Ich habe Fenster.
    Orion steht jetzt über dem Horizont und dicht dabei Jupiter, strahlender, als er es je wieder vor dem Jahr 2000 sein wird. (Ich habe nicht die Absicht, Ihnen zu sagen, wie spat es ist und wie hoch das Sternbild steht.) Doch vermutlich können Sie es auch sehen. Einige unserer Sterne sind dieselben.
    Clarice.
    Hannibal Lecter
    Weit im Osten, an der Küste der Chesapeake-Bucht, stand Orion hoch am klaren Nachthimmel, über einem großen alten Haus und einem Zimmer, wo ein Feuer für die Nacht gerichtet war, dessen Schein sanft mit dem Wind über den Schornsteinen flackerte. Auf einem großen Bett lagen viele Steppdecken, und auf den Steppdecken und unter ihnen mehrere große Hunde. Zusätzliche Hü-
    gel unter den Laken konnten Noble Pilcher sein oder auch nicht, es war unmöglich, dies bei der Raumbeleuchtung festzustellen.
    Das Gesicht auf dem Kissen, rosig im Schein des Feuers, war zweifellos das von Clarice Starling, und sie schlief fest, süß, im Schweigen der Lämmer.

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