Das Schweigen der Laemmer
keine Schnur.
»Catherine, ich muß etwas finden, mit dem ich Sie herausholen kann. Können Sie gehen?«
»Ja. Verlassen Sie mich nicht.« »Ich muß den Raum nur für eine Minute verlassen.«
»Du verdammtes Weibsstück läßt mich nicht hier unten, meine Mutter wird dir dein gottverdammtes Scheißgehirn rausreißen-«
»Catherine, halten Sie den Mund. Ich will, daß Sie ruhig sind, damit ich hören kann. Seien Sie ruhig, um sich zu retten, verstehen Sie?« Dann lauter: »Die anderen Beamten werden jede Minute hier sein, jetzt halten Sie den Mund. Wir werden Sie nicht dort unten lassen.«
Er mußte ein Seil haben. Wo war es? Geh es suchen.
Hastig durchquerte Starling den Treppenschacht, zur Tür des Arbeitsraums, die Tür ist der schlimmste Ort, schnell hinein, zu-rück und weiter an der nahen Wand entlang, bis sie den ganzen Raum gesehen hatte, vertraute Formen, die in den Glastanks schwammen, sie zu sehr auf der Hut, um bestürzt zu sein. Rasch durch den Raum, an den Tanks vorbei, den Becken, an einem Kä-
fig vorbei, einige große Falter, die aufflogen. Sie ignorierte sie.
Sich dem Gang dahinter, gleißend vor Licht, nähernd. Hinter ihr schaltete sich der Kühlschrank ein, und sie wirbelte in der Hocke herum, den Hahn von der Magnum spannend, den Finger am Abzug. Weiter zum Gang. Man hatte ihr nicht beigebracht, zu spähen. Kopf und Revolver in einer Bewegung, aber niedrig.
Der Gang leer. Das Studio am Gangende im Licht erstrahlend.
Schnell den Gang entlang, sich an der geschlossenen Tür vorbei-wagend, weiter zur Studiotür. Der Raum ganz weiß und helle Eiche. Verdammt, vom Türrahmen weg. Sich vergewissern, daß jede Schaufensterpuppe eine.Schaufensterpuppe, daß jede Spie -
gelung eine Schaufensterpuppe ist. Die einzige Bewegung in den Spiegeln ist deine Bewegung.
Der Schrank stand offen und leer da. Die Tür am ändern Ende offen, zu Dunkelheit führend, zum Keller dahinter. Nirgendwo ein Seil, eine Leiter. Kein Licht hinter dem Studio. Sie machte die Tür zum dunklen Teil des Kellers zu, schob einen Stuhl unter den Knauf und rückte eine Nähmaschine dagegen. Wenn sie sicher sein konnte, daß er nicht in diesem Teil des Kellers war, würde sie es riskieren, ganz kurz nach oben zu gehen, um ein Telefon zu finden.
Den Gang wieder zurück, eine Tür, an der sie vorbeigelaufen war. Auf die Seite den Angeln gegenüber gehen. In einer einzigen Bewegung ganz weit aufgemacht. Die Tür schwang zurück, keiner dahinter. Ein altes Badezimmer. Darin Seil, Haken, eine Schlinge. Catherine holen oder zum Telefon? Auf dem Boden des Brunnens würde Catherine nicht versehentlich erschossen werden. Wenn Starling jedoch getötet würde, wäre auch Catherine tot. Catherine mit zum Telefon nehmen.
Starling wollte nicht lang in dem Badezimmer bleiben. Er konnte an die Tür kommen und sie mit Blei vollpumpen. Sie sah in beide Richtungen und duckte sich nach dem Seil drinnen. Im Zimmer war eine große Badewanne. Die Wanne war fast an den Rand mit hartem rotvioletten Gips gefüllt. Aus dem Gips ragten eine Hand und ein Handgelenk heraus, die Hand dunkel und ver-schrumpelt, die Fingernägel rosa lackiert. Am Handgelenk war eine zierliche Armbanduhr. Starling sah alles auf einmal, das Seil, die Wanne, die Hand, die Uhr.
Das kaum merkliche Insektenkriechen des Sekundenzeigers war das letzte, was sie sah, bevor das Licht ausging.
Ihr Herz klopfte heftig genug, um ihre Brust und ihre Arme zu schütteln. Schwindliges Dunkel, muß etwas berühren, den Rand der Wanne. Das Badezimmer. Mach, daß du aus dem Badezimmer kommst. Wenn er die Tür finden kann, kann er diesen Raum mit Kugeln durchlöchern, nichts, wohinter man sich verstecken kann. O lieber Jesus, geh raus. Geh geduckt raus und auf den Gang hinaus. Jedes Licht aus? Jedes Licht. Er mußte es am Sicherungskasten getan, mußte den Hebel gezogen haben, wo würde er sein? Wo würde der Sicherungskasten sein? Bei der Treppe.
Meistens bei der Treppe. Wenn ja, wird er von dort kommen. Er ist aber zwischen mir und Catherine.
Catherine war schon wieder am Jammern.
Hier warten? Ewig warten? Vielleicht ist er weg. Er kann nicht mit Sicherheit wissen, daß keine Unterstützung kommt. Doch, das kann er. Aber bald wird man mich vermissen. Heute abend.
Die Treppe ist in Richtung der Schreie. Löse es jetzt.
Sie bewegte sich, ganz leise, ihre Schulter streifte kaum die Wand, streifte sie zu leicht, um Geräusche zu machen, eine Hand vorgestreckt, den Revolver in Taillenhöhe,
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