Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)
Fulke aus.
»Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich wusste nur, ich musste diesen Mann stoppen und meine Mutter retten. Bevor ich wusste, was geschah, hatte ich den Feuerhaken in der Hand und schlug zu, so fest ich konnte. Ich dachte, ich hätte den Mann womöglich getötet. Aber das war nicht so. Er atmete noch.«
»Ich war nicht dieser Mann«, sagte Sir Fulke mit einem demonstrativen Blick zum Friedensrichter. »Sie sagen selbst, es sei dunkel im Raum gewesen und Sie hätten Ihren eigenen Vater im Verdacht gehabt. Es muss ihm zu Ohren gekommen sein, dass Ihre Mutter Männer empfing. Ich habe das Gerücht selbst auch gehört, obwohl ich ihm natürlich keinen Glauben schenkte.«
Olivia sagte kalt: »Sie lügen.«
»Und Sie würden alles tun und sagen, um Ihren niederträchtigen Vater frei zu bekommen. Erfinden Sie nur weiter Geschichten, meine Liebe. Aber abgesehen von Ihnen gibt es keine Zeugen dafür.«
»Ich fürchte, die gibt es doch.« Sie nickte Edward zu, der die Tür öffnete. Dorothea Keene trat herein, in einem prachtvollen gestreiften Kleid, einen Hut auf dem hoch erhobenen Kopf.
Alle Köpfe drehten sich nach ihr um. Der Wachtmeister schnappte nach Luft wie ein Fisch an Land.
Sir Fulke erbleichte sofort. »Dorothea!«
Mr Smith stammelte: »Mrs Keene, wir dachten … nachdem Sie verschwunden waren, ging jeder vom Schlimmsten aus. Ich habe ihnen gesagt, dass Keene Ihnen nie etwas antun würde, aber nur wenige haben mir geglaubt.«
»Sie hatten recht, Mr Smith«, begann Olivias Mutter. »Aber Sir Fulke hätte und hat es getan. Er hat versucht, mich zu erwürgen. Und ich hatte furchtbare Angst, dass er es wieder versuchen würde, wenn er zu sich kam – und dass er sich an demjenigen, der ihn niedergeschlagen hatte, rächen würde. Es blieb mir nichts anderes übrig, als meine Tochter noch in derselben Nacht wegzuschicken und am nächsten Morgen selbst aus dem Dorf zu fliehen, obwohl ich verletzt war.«
Sir Fulkes Gesicht lief rot an. »Was für Lügen! Das Ganze ist absurd. Die komplette Familie steckt unter einer Decke. Ich weiß, dass unser Friedensrichter und unser Wachtmeister klug genug sind, um die Wahrheit zu erkennen.«
Mr Smith wirkte wie ein verwirrter Junge. »Warum sollte Sir Fulke Ihnen etwas antun wollen, Mrs Keene?«
Dorothea Keene holte tief Luft und wandte sich an den Wachtmeister und den Friedensrichter. »Weil ich seine Annäherungsversuche zurückwies. Nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder, mehrere Monate lang. Er war … wie besessen von mir, obwohl ich ihn nie ermutigt hatte.«
»Oh doch, das haben Sie!«, rief Sir Fulke und ignorierte dabei die beruhigende Hand und die geflüsterte Warnung seines Anwalts.
Olivias Mutter setzte ihre Erklärung fort. »Er fing an, in unser Haus zu kommen und mir anstelle seiner Frau die Näharbeiten zu bringen. Mir waren seine Besuche sehr unangenehm, aber er hörte nicht damit auf. An diesem Abend versuchte er sich mir aufzuzwingen, und als ich mich wehrte, hat er … hat er mich fast getötet.«
»Unsinn! Smith, das ist alles blanker Unsinn!«
Mr Smith war offensichtlich völlig verblüfft und wusste nicht, wie er weiter vorgehen sollte. Sir Fulkes Verwalter saß schweigend da, genau wie der Friedensrichter, der die Vorgänge bewusst distanziert verfolgte.
Herbert Fitzpatrick erhob sich. »Ich glaube ihr«, sagte er.
»Halt den Mund, Junge!«, blaffte sein Vater. »Wendest du dich gegen mich, ja? Du warst immer schon ein schwacher, nutzloser Knabe.«
Herbert zuckte zusammen, aber als er sprach, war sein Tonfall ruhig und gefasst. »Ich war kein Zeuge der Ereignisse an diesem Abend, aber ich wusste von den immer häufigeren Besuchen meines Vaters bei Mrs Keene und dem Kummer, den dies meiner Mutter bereitete. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass mein Vater einer anderen Frau nachjagte, obwohl ich es bisher noch nie erlebt habe, dass er so hartnäckig hinter jemand her war.«
»Halt endlich den Mund. Du bist hiermit enterbt. Davies! Ich will ein neues Testament aufsetzen.« Sir Fulke wandte sich zur Tür.
»Wir sind noch nicht fertig, Sir Fulke«, sagte Olivia.
»Oh doch, das sind wir«, erwiderte er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Da ist noch die Sache mit der Anklage der Veruntreuung. Ich habe die Bücher geprüft und mein Vater hat nichts unterschlagen.«
»So so«, spottete Sir Fulke. »Wer war es dann?«
Olivia blickte zu dem jungen Mann neben dem Anwalt, dessen blasses Gesicht von rabenschwarzem
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