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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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überbringen wollte.«
    Sie schaute auf. »Was für Neuigkeiten?«
    Aus seiner Jackentasche holte er einen Zeitungsausschnitt und entfaltete ihn. »Neuigkeiten über den Prozess Ihres Vaters, die genaue Anklage und das voraussichtliche Urteil.«
    Er streckte ihr den Ausschnitt hin, aber sie griff nicht danach, sondern starrte nur reglos darauf. »Sagen Sie mir, was drin steht«, flüsterte sie.
    Er atmete tief durch. Es war ihm unangenehm, der Überbringer solcher Nachrichten zu sein, und er ahnte, wie es sie innerlich zerreißen musste.
    »Ihr Vater wird wegen Unterschlagung der Prozess gemacht, so wie es das Gerücht verlauten ließ. Wie es der Fall ist, wenn ein Untergebener seinen Herrn betrügt, und da es um eine ungeheure Summe geht, die fehlt, erwartet man, dass er aufgehängt oder lebenslänglich deportiert wird.«
    »Du lieber Gott, nein …«
    »Es tut mir leid, Olivia. Auch wenn Ihr Vater einige Fehler hat, muss dies doch ein furchtbarer Schlag sein.«
    Ihre großen, entsetzten Augen flehten ihn an. »Aber er hat es nicht getan! Ich weiß, dass er es nicht getan hat. Man kann ihm viel vorwerfen, aber er ist kein Betrüger. Kein Dieb.«
    Es brach ihm das Herz, sie so verzweifelt zu sehen. »Ich möchte keine falschen Anschuldigungen machen, nachdem ich Sie ermutigt habe, Ihren Vater in einem barmherzigeren Licht zu sehen. Aber könnte ihn nicht der Wunsch nach Rache in Versuchung getrieben haben, wenn es keine Habgier war?«
    Sie nickte. Dieser Gedanke war ihr auch schon in den Sinn gekommen.
    Schweigend gingen sie ein paar Minuten lang weiter. Dann wandte er sich ihr erneut zu. »Unser Anwalt steht zu Ihrer Verfügung und alle finanziellen Mittel, die Sie brauchen, um –«
    Sie packte ihn am Arm. »Bringen Sie mich zu ihm. Würden Sie das bitte tun? Ich muss ihn sehen, ihn fragen.«
    Er legte seine Hand auf ihre, unfähig, die Gelegenheit, sie zu berühren, verstreichen zu lassen. »Ich habe eine andere Idee. Sie werden sich erinnern, dass ich ein wenig mit Sir Fulke und seinem Sohn Herbert bekannt bin. Vielleicht könnte ich mit ihnen reden und um Milde bitten oder wenigstens um ein weniger hartes Urteil.«
    »Halten Sie sie für fähig, Gnade zu zeigen?«
    »Sir Fulke? Das ist unwahrscheinlich. Wenn Herbert dort wäre, könnte ich ihn vielleicht bewegen, aber soweit ich weiß, ist er immer noch weg. Trotzdem würde ich es versuchen.«
    »Tatsächlich?«
    »Ihnen zuliebe, ja. Und ich bin sicher, dass Vater damit einverstanden wäre.«
    »Warum sollten Sie das tun?«
    Sie schauten sich in die blauen Augen und ihre Blicke verschmolzen miteinander.
    »Olivia …«, erwiderte er und klang fast gekränkt. »Ich glaube, Sie kennen die Antwort darauf.«

49
     
Die Mathematik mochte ich sehr und machte schnelle Fortschritte darin. Geometrie bereitete mir Entzücken, auch Brüche, Dezimalzahlen und Buchhaltung.
Miss Weeton, Journal of a Governess 1811-1825
     
    Olivia wartete nervös in der Eingangshalle des früheren Meacham Anwesens, das jetzt im Besitz von Sir Fulke Fitzpatrick war.
    Eine Viertelstunde nachdem man ihn einen Korridor entlang und in einen Raum geführt hatte, tauchte Lord Bradley in Begleitung zweier Männer wieder auf. Er wechselte ein paar Worte mit ihnen, die beiden Männer durchquerten den Gang und verschwanden in einem anderen Zimmer. Lord Bradley wandte sich in ihre Richtung und sie eilte über den Marmorboden zu ihm.
    Er räusperte sich. »Ich habe eine gute und eine ziemlich herausfordernde Nachricht für Sie, fürchte ich. Herbert ist wegen des Gerichtsverfahrens in der Stadt. Er und sein Anwalt gestatten Ihnen, die fraglichen Geschäftsbücher anzuschauen.«
    »Und die herausfordernde Nachricht?«, flüsterte Olivia.
    Seine blauen Augen blickten nüchtern. »Sie haben eine Stunde, Olivia. Mehr konnte ich nicht herausschlagen.«
    Sie schluckte und nickte dann. »Bitte beten Sie für mich.«
    »Das werde ich. Das tue ich.« Er drückte ihr die Hand und öffnete ihr dann die Tür.
    Olivia betrat eine prunkvolle Bibliothek. Alabasterbüsten schauten blind von den hohen Bücherregalen aus Mahagoni und Messing herunter. In der Mitte des Raums stand ein Schreibtisch mit Klauenfüßen. Mit Samtüberwürfen bedeckte Stühle waren etwas mehr in der Nähe des Marmorkamins versammelt. Darüber hing das goldgerahmte Porträt einer Dame, deren Brust mit Spitze bedeckt war und die auffallend missbilligend auf Olivia herunterschaute. Olivia ignorierte sie, trat an den Tisch und setzte sich. Drei

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