Das Schweigen der Tukane
Scheissapparat!»
Ferrari gab dem Automaten einen Tritt und verschwand.
Nach einigen Telefonaten mit Freunden und einem ausgiebigen Gespräch mit Olivia Vischer, die sich am besten im Basler Daig auskannte, wusste er einiges über Peter Grauwiler. Neunundvierzig, seit zwanzig Jahren mit Emma verheiratet. Die Ehe war kinderlos geblieben. Primarschule und Gymnasium in Basel, Jurastudium in Zürich und anschliessend ein zusätzliches Wirtschaftsstudium in St. Gallen. Nach erfolgreichem Abschluss trat er in die Anwaltskanzlei Herzog, Kuster & Petermann ein, zuerst als Angestellter, dann als Teilhaber, nachdem Herzog und Petermann in Pension gegangen waren. Heute hiess die Kanzlei Grauwiler & Kuster. Parallel dazu forcierte er seine politische Karriere. Er war einer der jüngsten Grossräte von Basel. Als Nationalrat scheiterte er zwar im ersten Anlauf, doch im zweiten erreichte er knapp das Ziel. Wahrscheinlich nicht zuletzt, weil er in unzähligen Vereinen im Vorstand sass. Zu diesem Zeitpunkt zog er sich aus dem aktiven Geschäft der Wirtschaftskanzlei zurück, wobei er nie ein Hehl daraus machte, dass er nach seiner politischen Karriere wieder aktiv als Jurist tätig sein wollte. Als Nationalrat war er keine grosse Nummer. Die politischen Gegner monierten dies bei den letzten Wahlen entsprechend laut. Schlagworte wie «Wir brauchen in Bern eine Lobby, keine Hinterbänkler» reichten aber nicht, um den Sonnyboy vom Thron zu stossen. Grauwiler war in der Stadt beliebt. Wenn jemand einen Redner für einen Anlass brauchte, stand er auf der Matte. Und das brachte ihm die nötigen Stimmen zur Wahl ein. Finanziell lag alles im grünen Bereich, wie ihm ein alter Bankkumpel nach kurzer Nachfrage bestätigte. Peter Grauwiler war vermögend. Skandale gab es keine, auch nicht in der Beziehung. Emma hatte ebenfalls studiert, vielleicht sogar zeitgleich mit Jakob Borer, das wollte Ferrari nicht ausschliessen, übte aber ihren Beruf als Psychologin nur kurz aus. Seither war sie ausschliesslich für ihren Mann tätig. Sie koordinierte seine Termine. Olivia glaubte sogar zu wissen, dass Emma die Ghostwriterin von Grauwilers Reden gewesen war. Die Grauwilers wohnten am Binninger Hügel. Ferrari schrieb sich die Adresse «Im Zehntenfrei» auf einen Zettel, als Nadine die Tür hinter sich zuschlug.
«Oh! Schlechte Laune?»
«Nein! Und, was gibt der Strahlemann her?»
«Nichts. Eine lupenreine Karriere. Keinerlei Skandale. Er hat Jura und Wirtschaft studiert, führte zusammen mit seinem Partner Benjamin Kuster eine eigene Kanzlei. Als er Nationalrat wurde, zog er sich aus dem täglichen Geschäft zurück. Sein Partner hält die Stellung.»
«Wo hat er studiert?»
«In Zürich und St. Gallen. Die Ehe mit Emma ist kinderlos. Beruflich war sie so etwas wie die rechte Hand von Grauwiler. Olivia meint sogar, dass sie seine Reden schrieb.»
«Gar nicht so abwegig bei seinem Mammutprogramm. Vernissage in einer Galerie, Einweihung eines Kindergartens, Vortrag beim fünfjährigen Jubiläum des Basler Jassclubs, Kiwanis-Treffen, und alles an einem Tag.»
«Woher weisst du das?»
«Das stand vor einigen Wochen in der Zeitung. In einer Kolumne, die den hyperaktiven Nationalrat ein wenig auf die Schippe nahm.»
«Er sass im Vorstand von rund zwanzig Vereinen, vom Hühnerzüchterverein bis zum Museumsförderzirkel. Er war nicht gerade wählerisch.»
«Volksnah und deswegen sehr beliebt.»
«Bei den letzten Wahlen schlugen sich seine Gegner mit einem falschen Konzept selbst. Sie warfen ihm vor, in Bern zu wenig für Basel zu lobbyieren. Das ging voll in die Hose. Die Leute wollten sich ihren Grauwiler in Bern nicht nehmen lassen.»
Noldi, Nadines derzeitiger Freund oder auch nicht, Ferrari war sich nicht sicher, klopfte und trat ein.
«Hallo Noldi, setz dich.»
«Ich … ich will nicht lange stören. Kann ich dich kurz sprechen, Francesco?»
«Aber sicher. Nun setz dich schon.»
Er blickte zu Nadine hinüber.
«Allein … wenns geht … unter vier Augen!»
Nadine rauschte an Noldi vorbei und versetzte ihm einen solch heftigen Stoss, dass er förmlich auf den Stuhl zuflog, den ihm Ferrari anbot. Der Kommissär wartete geduldig, bis der IT-Spezialist seine Gedanken geordnet hatte. Langsam begann er zu sprechen.
«Es ist … es geht um Thuri. Ihr habt ihn in die Mangel genommen.»
«Nicht ganz, Noldi. Wir unterhielten uns mit ihm. Mehr nicht.»
«Aber Nadine … Nadine bedrängte ihn.»
«Nur das Übliche.»
«Er sei ein Lügner
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