Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
hattet. Sie war eine vom Glauben abgefallene Schwester, könnte man sagen.«
»Ist mir völlig egal, ob sie am Tag, als sie zu uns kam, in der Gnade des Schöpfers stand oder nicht. Ich weiß nur eins: Sie hat auf ihrem Weg in den Garten des Lebens fast dreihundert meiner Männer umgebracht. Dreihundert! Und fast einhundert weitere auf ihrem Weg hinaus. Wir waren völlig machtlos gegen sie.« Die Zornesröte in seinem Gesicht ließ seine Narben noch deutlicher hervortreten. »Wisst Ihr, wie das ist, die eigenen Männer krepieren zu sehen, wenn man unfähig ist, auch nur das Geringste dagegen zu tun? Wisst Ihr, wie es ist, nicht nur für deren Leben verantwortlich zu sein, sondern zu wissen, dass es die eigene verdammte Pflicht ist, diese Frau am Betreten dieses Ortes zu hindern … und nichts tun zu können, um die Gefahr abzuwenden?«
Unter den durchdringenden blauen Augen des Generals senkte Verna den Blick zu Boden. »Tut mir Leid, General. Aber sie hat gegen Lord Rahl gekämpft, ich nicht, ich stehe auf derselben Seite wie Ihr. Ich kämpfe dafür, Menschen ihres Schlages das Handwerk zu legen.«
»Das mag ja alles stimmen, aber mein Befehl, sowohl von Zedd als auch von Lord Rahl persönlich, nachdem er dieses abstoßende Weibsstück getötet hatte, lautet, dass niemandem der Zutritt zu diesem Ort gewährt werden darf. Und zwar ohne Ausnahme. Selbst wenn Ihr meine Mutter wärt – es stünde nicht in meiner Macht, Euch dort hineinzulassen.«
Irgendetwas erschien ihr daran unlogisch. Misstrauisch geworden, neigte sie den Kopf zur Seite und fragte: »Wenn Schwester Odette diesen Ort betreten konnte, ohne dass Eure Männer imstande waren, sie daran zu hindern« – sie zog eine Braue hoch -, »was macht Euch dann so sicher, dass Ihr mich aufhalten könnt?«
»Ich würde mir wünschen, dass es dazu nicht kommt, aber sollten die Umstände es erfordern, verfügen wir über die nötigen Mittel, um unseren Befehlen Geltung zu verschaffen. Hilflos sind wir nicht mehr.«
Verna runzelte die Stirn. »Was wollt Ihr damit andeuten?«
Kommandant General Trimack zupfte einen schwarzen Handschuh aus seinem Gürtel und streifte ihn über, bewegte seine Finger hin und her, um das eng anliegende Leder ganz über seine Hand zu ziehen, ehe er mit Daumen und Zeigefinger ebendieser Hand behutsam einen der rot befiederten Pfeile aus dem Sechserfutteral im Köcher eines neben ihm stehenden Soldaten zog. Einen dieser Bolzen hatte der Soldat bereits in seine Armbrust eingelegt, sodass noch deren vier in dem speziellen Köcherfutteral steckten.
Er fasste den Bolzen am eingekerbten Ende und hielt ihr die überaus feine Stahlspitze vors Gesicht, sodass sie sie von nahem betrachten konnte. »Er ist nicht bloß mit Stahl armiert, sondern mit dem Vermögen ausgestattet, alle niederzustrecken, die über magische Kräfte verfügen.«
»Mir ist noch immer nicht ganz klar, wovon Ihr sprecht.«
»Er ist mit einer Magie bewehrt, die angeblich jeden von einem mit der Gabe Gesegneten errichteten Schild durchschlagen kann.«
Verna streckte die Hand aus und berührte das hintere Ende des Schafts vorsichtig mit dem Finger. Augenblicklich, noch ehe sie ihren Arm wieder zurückziehen konnte, schoss ein Schmerz durch Hand und Handgelenk. Trotz ihrer im Palast verminderten Gabe hatte sie keine Mühe, die machtvolle Aura zu spüren, die das magische Netz verströmte, mit dem die tödliche Spitze umgeben war. Es war in der Tat eine überzeugende Waffe. Selbst im Vollbesitz ihrer magischen Kräfte würden die mit der Gabe Gesegneten gewaltige Probleme bekommen, käme plötzlich einer dieser Bolzen auf sie zugeflogen.
»Und wieso konntet Ihr Schwester Odette nicht aufhalten, wenn Ihr diese Pfeile habt?«
»Damals hatten wir sie ja noch nicht.«
Vernas Stirn furchte sich noch tiefer. »Und woher habt Ihr sie?«
Das Lächeln des Generals verriet die Zufriedenheit eines Mannes, der sich sicher war, nie wieder hilflos einem mit der Gabe gesegneten Gegner ausgeliefert zu sein. »Als Zauberer Rahl im Palast weilte, erkundigte er sich bei mir nach den Verteidigungsmaßnahmen. Ich berichtete ihm von dem Angriff der Hexenmeisterin und von unserer Machtlosigkeit gegenüber ihren Kräften. Daraufhin durchsuchte er den Palast und fand diese Waffen. Offenbar lagerten sie an irgendeinem gesicherten Ort, aus dem sie nur ein Zauberer entnehmen konnte. Er hat meine Männer persönlich mit diesen Bolzen und den für das Abschießen nötigen Armbrüsten
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