Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
möglicherweise gewisse Gemeinsamkeiten auf?« Richards Frage zielte auf eine Überlegung ab, die, wie Nicci wusste, letztendlich unweigerlich eine Verbindung zu seiner eigenen Suche herstellen würde. Unter anderen Umständen hätte es sie betrübt, ja geradezu verärgert, dass er an nichts anderes als seine Besessenheit von dieser angeblich verschollenen Frau denken konnte, aber diesmal stellte sie zu ihrer Erleichterung fest, dass Richard wieder ganz der Alte zu sein schien.
»Ja, eine solche Gemeinsamkeit besteht tatsächlich. Es handelt sich ausnahmslos um Prophezeiungen, die sich mit Ereignissen ungefähr zum Zeitpunkt deiner Geburt befassen.«
Wie vom Donner gerührt starrte Richard ihn an. »Wovon genau handeln diese verschwundenen Prophezeiungen? Was ich sagen will, ist, beziehen sie sich auf spezielle Ereignisse, oder sind sie eher allgemein gehalten und betreffen nur etwa den gleichen Zeitraum?«
Nachdenklich strich sich Nathan übers Kinn. »Das ist ja gerade das Seltsame. Eigentlich sind wir der festen Überzeugung, dass wir uns an viele der verschwundenen Prophezeiungen erinnern müssten, aber an den betreffenden Stellen unseres Erinnerungsvermögens herrscht plötzlich eine ebenso vollständige Leere wie auf den Buchseiten. Wir können uns an kein einziges Wort erinnern, ja, wir wissen nicht einmal mehr, wovon sie gehandelt haben, und da sie aus den Büchern ebenfalls verschwunden sind, kann ich dir nicht einmal sagen, ob sie ereignis- oder zeitbezogen waren – oder womöglich einen ganz anderen Bezug hatten. Wir können nur konstatieren, dass sie verschwunden sind. Das ist mehr oder weniger alles.«
Richards Blick wanderte zu Nicci, so als wollte er fragen, ob sie den Zusammenhang erkannt hatte. Sie fand, dass er das eigentlich deutlich sehen müsse. Trotz seines nach wie vor beiläufigen Tons war ihr sofort klar, wie zielgerichtet die hinter seinen Worten liegende Absicht war.
»Ziemlich merkwürdig, dass etwas, das man zeit seines Lebens sicher wusste, einfach aus dem Gedächtnis verschwinden kann, findest du nicht auch?«
»Das finde ich allerdings«, bestätigte Nathan. »Irgendwelche Vorschläge zu diesem Punkt, Zedd?«
Zedd, der Richard schweigend und aufmerksam beobachtet hatte, meinte nickend: »Nun, ich könnte euch den Grund dafür nennen, falls euch das weiterhilft.« Als er ein unschuldiges Lächeln aufsetzte, bemerkte Nicci, dass Rikka, die etwas weiter hinten in den Schatten jenseits der roten Pfeiler stand, ebenfalls schmunzelte. Nathan, anfangs noch verblüfft, wurde plötzlich ganz aufgeregt vor Neugier.
Sachte zupfte Richard an der Schulter von Zedds Gewand. »Du kennst den Grund?«
»Bist du wirklich sicher?« Nathan kam näher und schob Richard aus dem Weg. Ann war sofort an seiner Seite. »Und was ist nun die Ursache? Was geschieht mit den Prophezeiungen? Nun rede doch schon.«
»Ich fürchte, die Ursache ist ein so genannter Prophezeiungswurm.«
Nathan und Ann, die Mienen ein Ausdruck völliger Verständnislosigkeit, blinzelten verwirrt.
»Ein was?«, fragte Nathan, der plötzlich misstrauisch geworden war.
»Die Ursache für das Verschwinden der Texte ist ein Prophezeiungswurm. Ist die Gabelung einer Prophezeiung einmal von dieser Geißel befallen, bahnt sich diese unbemerkt einen Weg durch den gesamten Zweig und verschlingt ihn dabei. Da sie die Prophezeiung als solche vernichtet, hat dies zur Folge, dass mit der Zeit sämtliche ihrer Manifestationen – also der niedergeschriebene Text der Prophezeiung oder jedwede Erinnerung an sie, ebenfalls ausgelöscht werden. Ein ziemlich bösartiges kleines Kerlchen.« Zedd musterte ihre angespannten Gesichter mit einem höflichen Lächeln. »Wenn ihr wollt, kann ich euch die entsprechenden Textpassagen zeigen.«
»Das will ich wohl meinen«, erwiderte Nathan.
»Wenn die Sache so wichtig ist, Zedd«, warf Richard ein, »wieso hast du dann bislang nichts davon erwähnt?«
Zedd versetzte ihm einen vertraulichen Klaps auf die Schulter und machte Anstalten aufzubrechen. »Nun, mein Junge, als du herkamst, warst du wohl kaum in der Stimmung, dir etwas anderes anzuhören als das, was unmittelbar mit dem Grund für dein Kommen zu tun hatte. Schon vergessen? Du hast mit ziemlichem Nachdruck darauf bestanden, du seist in Schwierigkeiten und müsstest unbedingt mit mir darüber sprechen. Und seitdem warst du nicht gerade offen für Gespräche. Du warst doch ziemlich … durcheinander.«
»Ja, mag sein.« Richard bekam seinen
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