Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
es, der nach Aussage der Prophezeiungen unsere Sache retten kann – jene Sache, an die du selbst glaubst. Du musst deine Pflicht tun und darfst uns jetzt nicht im Stich lassen.«
Richard war es müde; er war es herzlich leid, immer nur von den Ereignissen getrieben zu werden. Er wusste einfach nicht mehr weiter. Wieso verstand er nicht, was geschah, warum hatte er stets das Gefühl, einen Schritt hinter dem Rest der Welt herzuhinken – und zwei Schritte hinter dem, was Kahlan zugestoßen war? Es machte ihn wütend, dass jeder ihm sagte, was er zu tun hatte, ohne auch nur das geringste Interesse dafür aufzubringen, was für ihn selbst maßgeblich von Bedeutung war. Nicht einmal über sein eigenes Los wollten sie ihn selbst bestimmen lassen, weil sie dachten, die Prophezeiungen hätten es längst an seiner statt entschieden.
Aber dem war nicht so.
Er musste unbedingt herausfinden, was Kahlan tatsächlich zugestoßen war, er musste Kahlan finden. Punktum. Er hatte es satt, seine Zeit mit Dingen zu verschwenden, die er nach Ansicht der Prophezeiungen – und einer ganzen Reihe von Leuten – tun sollte. Wer ihn nicht unterstützte, hielt ihn in Wahrheit von etwas ab, das zumindest für ihn von lebenswichtiger Bedeutung war.
»Es ist keineswegs meine Pflicht, den Erwartungen aller zu entsprechen«, sagte er an Ann gewandt, während er das kleine Buch zur Hand nahm, das Nathan mitgebracht hatte.
Überrascht starrten ihn Ann und Nathan an.
Plötzlich spürte er Niccis beruhigende Hand auf seinem Rücken. Auch wenn sie nicht von seiner Erinnerung an Kahlan überzeugt war, so hatte sie ihm immerhin zu der Einsicht verholfen, dass er seinen Prinzipien treu bleiben musste. Sie würde niemals zulassen, dass er wegen einer Nachlässigkeit scheiterte. Und sie war ihm eine geschätzte Freundin gewesen, als er am meisten eine gebraucht hatte.
Der einzige andere ihm bekannte Mensch, der ihm auf diese Weise zur Seite stehen würde, der es wagen würde, ihm so die Stirn zu bieten, war Kahlan.
Er ließ all die leeren Seiten des Buches, das Nathan mitgebracht hatte, am Daumen vorüberschnellen, voller Neugier, ob dort vielleicht noch mehr stand, etwas, aus dem sich vielleicht ein etwas anderes Bild ergab, oder ob sie ihm einfach erzählten, was er ihrer Meinung nach glauben sollte. Zudem hätte er gern noch etwas – irgendetwas – gefunden, das ihm begreifen half, was eigentlich vor sich ging.
Denn irgendetwas ging vor sich, so viel war eindeutig klar. Zedds Erklärung über den Prophezeiungswurm schien unanfechtbar, und doch ließ ihm irgendetwas daran keine Ruhe, denn sie erklärte das Fehlen der Texte in den Büchern der Prophezeiungen auf eine Weise, die in erster Linie dem Wunschdenken dieser Leute entgegenkam. Es war ein wenig zu passend, und schlimmer noch, es hatte zu viel von etwas Zufälligem – und Zufälle weckten stets seinen Argwohn.
Und auch Niccis Einwand war nicht von der Hand zu weisen. Es schien in der Tat ein wenig zu passend, dass der beim Palast der Konfessoren beerdigte Leichnam ein Bändchen mit einer Stickerei von Kahlans Namen trug … etwa um alle Zweifel auszuräumen, falls jemand die Leiche exhumierte?
Nach einer Unmenge leerer Seiten stieß Richard endlich auf den Text. Er lautete genau so, wie Nathan ihn vorgelesen hatte.
Im Jahr der Zikaden, wenn der Vorkämpfer für Selbstaufopferung und Leid unter dem Banner der Menschheit wie des Lichts endlich seinen Schwarm teilt, soll dies als Zeichen dafür dienen, dass die Prophezeiungen zum Leben erweckt worden sind und uns die letzte und entscheidende Schlacht bevorsteht. Seid gewarnt, denn alle echten Gabelungen und ihre Ableitungen sind in dieser seherischen Wurzel miteinander verknüpft. Nur ein einziger wahrer Hauptstrang zweigt von dieser Verknüpfung des allerersten Ursprungs ab. Wenn der fuer grissa ost drauka in dieser letzten Schlacht nicht die Führung übernimmt, wird die Welt, bereits jetzt am Rande eines finsteren Abgrunds, unter diesen schrecklichen Schatten fallen.
Mehrere Stellen innerhalb dieser Textpassage stellten Richard vor ein Rätsel. Zum einen war da der Hinweis auf die Zikaden, die ihm ein wenig niedrig stehend erschienen, um einer Erwähnung in den Prophezeiungen überhaupt würdig zu sein – hier jedoch erhielten sie eine zentrale Funktion in der angeblich bedeutendsten Prophezeiung der letzten dreitausend Jahre. Eine gewisse Berechtigung ergab sich vermutlich daraus, dass sie bei der genauen Bestimmung des
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