Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
dessen bin ich mir sicher.«
»Genau hier.« Richard tippte mit dem Finger auf die Worte. »Hier steht: ›Hier kommen wir.‹ Was könnte damit gemeint sein? Und wieso sind die Worte nicht verschwunden?«
»›Hier kommen wir‹?« Nathan verzog verwirrt das Gesicht. »Das habe ich noch nie zuvor gesehen.«
Richard blätterte einige Seiten weiter zurück. »Seht doch, hier steht es gleich noch einmal. Derselbe Wortlaut. ›Hier kommen wir.‹«
»Einmal hätte ich es vielleicht übersehen können«, meinte Nathan, »aber ein zweites Mal, nein, völlig ausgeschlossen. Du musst dich irren.«
»Aber nicht doch. Schau her.« Richard drehte das Buch herum, um es dem Propheten zu zeigen, und ging es Seite für Seite bis zum Anfang durch, bis er auf etwas Geschriebenes stieß. »Hier taucht es schon wieder auf. Eine ganze Seite mit demselben, sich stets wiederholenden Text.« Nathans Unterkiefer klaffte in sprachloser Verwunderung. Nicci riskierte einen Blick über Richards Schulter, und auch Zedd kam um den Tisch herum und stellte sich neben ihn, um die Schrift in dem Buch in Augenschein zu nehmen. Selbst die beiden Mord-Sith kamen herbei, um einen Blick darauf zu werfen.
Richard blätterte eine Seite weiter zu einer Stelle, die eben noch leer gewesen war. Und tatsächlich, derselbe Text wiederholte sich wieder und wieder, über die gesamte Seite.
Hier kommen wir.
»Ich habe dir beim Zurückblättern zugesehen.« Niccis seidenweiche Stimme enthielt einen unüberhörbar beunruhigten Unterton. »Ich weiß genau, dass diese Seite einen Moment zuvor noch unbeschrieben war.«
Eine Gänsehaut kroch Richards Arme hoch, die Härchen in seinem Nacken stellten sich auf. Er hob den Blick und sah etwas Dunkles sich aus den tiefen Schatten unterhalb des durch das hohe Fenster an der Stirnseite des Saales fallenden Lichtbalkens schälen.
Zu spät erinnerte er sich an die Warnung Shotas, nicht in den Prophezeiungen zu lesen, da ihn die Bestie in diesem Fall aufzuspüren vermochte.
Er griff nach seinem Schwert.
Aber es war nicht da.
53
Mit einem Klagelaut wie von den verdammten Seelen tausender Sünder schälte sich urplötzlich ein Wirrwarr aus Winkeln, Wirbeln und dunklen Streifen aus der Dunkelheit, so als wären die dunklen Schatten zum Leben erwacht. Die Lesetische am hinteren Ende des Saales wurden rücksichtslos umgekippt, als das Knäuel aus dunklen Schatten sich mit explosionsartiger Wucht durch sie hindurchwühlte. Holzsplitter jeder Größe wirbelten durch die Luft.
Ein Tisch nach dem anderen ging zu Bruch, als die aus den Schatten geborene Bestie tobend mitten durch den Saal auf Richard zuhielt. Das Kreischen brechenden und splitternden Holzes erfüllte die staubige Luft der Bibliothek.
Sofort warfen sich Cara und Rikka vor ihren Herrn, jede mit ihrem Strafer in der Hand; Richard wusste nur zu gut, was passieren würde, falls sie mit der Bestie zusammenstießen. Die Vorstellung, Cara könnte ein weiteres Mal auf diese Weise verletzt werden, weckte seinen Zorn, und noch ehe sie sich der dunklen, sich einen Weg durch die schweren Lesetische brechenden Masse entgegenwerfen konnten, hatte er sie bereits bei ihren langen blonden Zöpfen gepackt und schleuderte sie mit einem wütenden Aufschrei wieder zurück.
»Kommt ihr ja nicht in die Quere!«, brüllte er die beiden Mord-Sith an.
Ann und Nathan streckten dem Wesen ihre Arme entgegen und entfesselten eine Magie, die ein Flimmern im Saal erzeugte, als betrachtete man ihn durch die Hitzewellen über einem lodernden Feuer. In dem Bemühen, den Angriff zurückzuschlagen, hatten sie die Luft verdichtet. Doch ihre gemeinschaftlichen Anstrengungen blieben ohne Wirkung auf das sich wälzende und windende Schattenknäuel, das auf seinem Weg quer durch den Lesesaal selbst massives Holz durchbrach, sodass sie gezwungen waren zurückzuweichen, um die Gefahr auf Distanz zu halten.
Richard musste den Kopf einziehen, als ein langes Brett – die Längskante eines der zertrümmerten Lesetische – an ihm vorübersegelte und krachend an einem Pfeiler zerschellte. Dabei ging eine der Lampen zu Bruch, und ein Sprühregen brennenden Öls verteilte sich über die uralten Teppiche und setzte sie in Brand. Während hinter ihrem Rücken grauer Rauch emporquoll, sahen sie sich vorn der auf Richard zustürmenden Bestie gegenüber.
Zedd entfesselte einen gleißenden Lichtblitz, der durch die dunkle, chaotische Masse zuckte, als wäre sie gar nicht vorhanden, nur um gegen die
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