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Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)

Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)

Titel: Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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Sie strich ihre Röcke glatt und atmete einmal tief durch, um ihren Puls wieder auf die normale Frequenz zu drosseln, dann öffnete sie, ein Lächeln für Richards Schwester auf den Lippen, die Tür.
    »Komm nur herein, Liebes. Und vielen Dank für den Teller mit Obst.« Sie wies mit dem Arm hinter sich zum Tisch. »Möchtest du vielleicht etwas abhaben?«
    Jennsen schüttelte den Kopf. »Nein, vielen Dank.« Ihr von roten Locken eingerahmtes Gesicht war ein Bild der Besorgnis. »Ann, Nathan schickt mich. Er möchte Euch sprechen. Er hat ziemlich nachdrücklich darauf bestanden. Ihr wisst ja selbst, wie er sein kann, wenn er ganz große, aufgerissene Augen bekommt, sobald er sich über irgendetwas aufregt.«
    »Ja«, sagte Ann gedehnt, »zu dieser Art von Verhalten neigt er in der Tat, sobald er irgendein Unheil ausheckt.«
    Jennsen musterte sie erstaunt und wirkte leicht verwirrt. »Ich fürchte, da könntet Ihr Recht haben. Er hat mir unmissverständlich zu verstehen gegeben, Euch umgehend zu holen und zu ihm zu bringen.«
    »Nathan erwartet immer, dass alles springt, sobald er pfeift.« Ann bedeutete der jungen Frau mit einer Handbewegung vorauszugehen. »Schätze, ich werde mich am besten sofort darum kümmern. Wo also befindet sich der Prophet?«
    Jennsen hielt ihre Laterne in die Höhe, um sich den Weg zu leuchten, und machte Anstalten, die enge Kammer zu verlassen. »Auf einem Friedhof.«
    Ann bekam sie am Ärmel ihres Kleids zu fassen. »Auf einem Friedhof? Und er möchte, dass ich auch dorthin komme?« Jennsen sah über ihre Schulter und nickte. »Was in aller Welt tut er auf einem Friedhof?«
    Jennsen schluckte. »Als ich ihm diese Frage stellte, sagte er, er sei dabei, die Toten auszugraben.«

10
     
    Auf dem grasbewachsenen Hang, der zum Friedhof hinabführte, vertrieb sich eine in einer ausladenden Trauerweide verborgene Spottdrossel die Nacht damit, unablässig eine Reihe schriller Rufe zu wiederholen, die offenbar den Zweck hatten, ihr Territorium gegen Eindringlinge zu verteidigen. Gewöhnlich konnten die Rufe einer Spottdrossel, selbst wenn sie als Drohung an ihre Artgenossen gedacht waren, in Anns Ohren einen durchaus liebreizenden Klang haben, aber jetzt, in der nächtlichen Stille, gingen ihr die durchdringenden Pfeif-, Schnatter- und Kreischlaute gewaltig auf die Nerven. In der Ferne hörte sie eine weitere Spottdrossel ganz ähnliche Verwünschungen ausstoßen. Offenbar fanden nicht einmal die Vögel ihren Frieden.
    Jennsen, die sich einen Pfad durch die hohen wilden Gräser bahnte und dabei die Laterne in die Höhe hielt, damit Ann sehen konnte, wohin sie trat, deutete unversehens nach vorn. »Tom meinte, wir würden ihn dort unten finden.«
    Vom langen Fußmarsch schweißgebadet, spähte Ann in das Dunkel. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was der Prophet im Schilde führen mochte. All die vielen Jahre, die sie ihn nun schon kannte, hatte er noch nie etwas so Seltsames getan. Gewiss, er hatte sich schon eine Menge Verschrobenheiten geleistet, aber noch nie so etwas wie das hier. Bei einem Mann seines Alters sollte man doch annehmen, dass er seine Zeit nicht früher als unbedingt nötig auf dem Friedhof verbringen wollte.
    Sie folgte Richards jüngerer Schwester die Böschung hinab und versuchte, Anschluss zu halten, ohne in Laufschritt zu verfallen. Die halbe Nacht schienen sie schon unterwegs zu sein, und sie war nun völlig außer Atem. Sie hatte von der Existenz dieses Friedhofs, der nahezu vergessen in diesem abgelegenen, unbewohnten Teil der Wildnis lag, gar nichts gewusst und wünschte, sie hätte daran gedacht, etwas von dem Essen in ihrer Kammer mitzunehmen.
    »Bist du überhaupt sicher, dass Tom noch hier unten wartet?«
    Jennsen schaute über ihre Schulter. »Sollte er jedenfalls. Nathan wollte, dass er Wache steht.«
    »Wozu das? Um die anderen Leichenfledderer zu vertreiben?«
    »Ich weiß nicht, kann sein«, antwortete Jennsen ohne eine Spur von Amüsiertheit.
    Ann war nicht besonders begabt darin, andere zum Lachen zu bringen. Sie war gut darin, ihre Knie zum Zittern zu bringen, ja, aber Scherze zu machen war ihr nicht gegeben. Vermutlich war ein Friedhof in einer düsteren Nacht ohnehin nicht der geeignete Ort dafür, auf jeden Fall aber war es der richtige Ort, um weiche Knie zu bekommen.
    »Vielleicht hat es Nathan bloß nach Gesellschaft verlangt«, schlug Ann vor.
    »Ich glaube nicht, dass das der Grund war.« In dem Lattenzaun, mit dem die Ruhestätte der Toten umgeben

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