Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
schien sein Gesicht nur aus scharfen Kanten und Linien zu bestehen. »Wir wissen, was die Prophezeiung verheißt, und zum ersten Mal kennen wir jetzt auch die zeitliche Abfolge. Wir müssen zu Richard, er muss bei der Schlacht unbedingt zugegen sein, wenn die Armeen aufeinander prallen, sonst ist alles verloren.«
»Richtig, und außerdem werden wir dafür sorgen müssen, dass er zugegen ist, damit sich der Wortlaut der Prophezeiung erfüllt.«
»Dann sind wir uns also einig«, sagte er, wandte sich um und eilte weiter die Stufen hinauf. Der tunnelartige Treppenschacht war so eng und niedrig, dass er Mühe hatte, sich nach oben zu kämpfen.
Oben angekommen, traten sie unter dem schrillen, sirrenden Gesang der Zikaden unvermittelt hinaus in die Nacht. Nathan rief nach Tom und Jennsen. Während sie auf Antwort warteten, wiegten sich die Bäume sachte in der schwülwarmen Brise. In Wahrheit war es nur ein kurzer Augenblick, aber ihnen kam es vor wie eine Ewigkeit, bis die beiden, Tom und Jennsen, sich im Laufschritt aus dem Dunkel schälten.
»Was ist denn?«, fragte Jennsen, völlig außer Atem.
Neben ihr zeichnete sich der dunkle Schatten Toms ab. »Gibt es Schwierigkeiten?«
»Ernsthafte Schwierigkeiten«, bestätigte Nathan.
Ann fand, dass er diesbezüglich ruhig ein wenig zurückhaltender hätte sein können, aber in Anbetracht des Ernstes der Lage war Zurückhaltung vermutlich zwecklos. Er zog das Buch aus der Tasche, das er aus der Bibliothek mitgenommen hatte, und schlug es auf einer leeren Seite auf, wo Teile der Prophezeiung fehlten.
»Sag mir, was hier steht«, forderte er Jennsen auf und hielt ihr das Buch unter die Nase.
Sie musterte ihn verwirrt. »Was dort steht? Aber Nathan, die Seite ist vollkommen leer.«
Er brummte unzufrieden. »Damit steht fest, dass auf irgendeine Weise subtraktive Magie daran beteiligt war. Subtraktive Magie ist die Magie der Unterwelt, die Macht des Todes, weshalb sie Jennsen ebenso berührt wie uns.«
Nathan wandte sich wieder zu ihr herum. »Wir sind auf einige Prophezeiungen gestoßen, die Richard betreffen, und müssen ihn unbedingt finden, da sonst Jagang die alles entscheidende Schlacht gewinnen wird.«
Jennsen ließ ein erschrockenes Keuchen hören, Tom stieß einen leisen Pfiff aus.
»Kennt ihr seinen derzeitigen Aufenthaltsort?«, fragte Nathan. Ohne Zögern drehte sich Tom ein wenig zur Seite und zeigte mit gestrecktem Arm hinaus in die Nacht, denn seine Bande sagten ihm, was den anderen ihre Gabe nicht vermitteln konnte. »Er ist irgendwo in dieser Richtung, nicht sehr weit entfernt, aber auch nicht gerade in der Nähe.«
Ann spähte in das Dunkel. »Wir müssen unsere Sachen zusammensuchen und gleich beim ersten Tageslicht aufbrechen.«
»Er bewegt sich«, wandte Tom ein. »Ich glaube nicht, dass Ihr ihn, wenn Ihr dort ankommt, noch an derselben Stelle antreffen werdet.«
Nathan stieß einen leisen Fluch aus. »Und es ist unmöglich zu sagen, in welche Richtung sich der Junge bewegt.«
»Ich würde vermuten, er befindet sich auf dem Weg zurück nach Altur’Rang«, sagte Ann.
»Mag sein, aber was ist, wenn er dort nicht bleibt?« Er legte Tom eine Hand auf die Schulter. »Du wirst uns begleiten müssen. Du bist einer der verdeckten Beschützer Lord Rahls, und die Angelegenheit ist äußerst wichtig.«
Ann sah, dass Tom das Messer in seinem Gürtel mit fester Hand umklammerte, dessen silbernes Heft mit dem kunstvoll gestalteten Buchstaben »R« verziert war, der für das Haus Rahl stand. Es war eine seltene Waffe, wie sie nur von wenigen Personen getragen wurde, Personen, die im Verborgenen dafür arbeiteten, das Leben des Lord Rahl zu beschützen.
»Selbstverständlich«, erwiderte Tom.
»Ich werde auch mitkommen«, beeilte sich Jennsen hinzuzufügen. »Ich muss nur eben noch …«
Nathans entschiedenes »Nein« ließ sie verstummen. »Wir brauchen dich hier.«
»Warum denn das?«
»Weil«, Ann bemühte sich um einen etwas einfühlsameren Ton als Nathan, »du Richards Kontakt zu den Menschen hier bist. Sie brauchen dringend Hilfe, um die große weite Welt, die sich eben erst für sie aufgetan hat zu verstehen. Sie sind immer noch anfällig für die Verheißungen der Imperialen Ordnung und könnten sich leicht gegen uns aufwiegeln lassen. Sie haben sich doch eben erst dafür entschieden, für unsere Sache zu kämpfen und sich dem d’Haranischen Reich anzuschließen. Fürs Erste braucht Richard dich hier, und Toms Platz ist hier bei uns, damit
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