Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
starrte die Mord-Sith an. »Aber eben nicht in Kahlans Fall.«
»Richard«, warf Nicci in begütigendem Ton ein, um seine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, »angenommen, eines Tages kehrst du in die Midlands zurück und findest heraus, dass die echte Mutter Konfessor ganz und gar nicht deinem Traumbild entspricht, sondern eine alte Frau ist? Schließlich haben die Konfessorinnen niemals Frauen, so jung, wie es deine eingebildete große Liebe gewesen sein muss, zur Mutter Konfessor ernannt. Angenommen, du fändest heraus, dass die echte Mutter Konfessor nicht nur alt, sondern – schlimmer noch – längst verstorben wäre? Sag jetzt die Wahrheit. Was würdest du, konfrontiert mit dieser Wahrheit, tun?«
Richards Mund war mittlerweile so trocken, dass er seine Zunge bewegen musste, um seine Lippen so weit zu benetzen, dass er sprechen konnte. »Ich weiß es nicht.«
Nicci lächelte versonnen. »Endlich eine ehrliche Antwort.« Doch selbst dieses Lächeln überforderte ihre Kräfte und erlosch sogleich wieder. »Ich habe Angst um dich, Richard, Angst um deinen Geisteszustand, wenn du weiter an dieser Geschichte festhältst, bis sie schließlich dein ganzes Leben bestimmt, denn das wird unweigerlich geschehen. Früher oder später wirst du eiskalt mit der Realität konfrontiert werden.«
»Nicci, nur weil Ihr Euch nicht vorstellen könnt …«
Ruhig schnitt sie ihm das Wort ab. »Ich bin eine Hexenmeisterin, Richard. Ich war eine Schwester des Lichts und eine Schwester der Finsternis und bin in Dingen der Magie nicht eben unbeschlagen. Und ich sage dir, was du da behauptest, übersteigt schlicht die Kräfte jeder mir bekannten Magie. Gewiss, ein verzweifelter Mann mag imstande sein, so etwas zusammenzufantasieren, aber in der Wirklichkeit lässt sich das nicht aufrechterhalten. Du vermagst dir nicht einmal ansatzweise die grauenhaften Konsequenzen vorzustellen, würde dergleichen auch nur versucht, oder wäre es womöglich sogar machbar.«
»Nicci, ich will ja gerne zugeben, dass Ihr auf diesem Gebiet über weit reichende Kenntnisse verfügt, aber selbst Ihr wisst nicht alles. Nur weil Ihr nicht wisst, wie etwas funktionieren könnte, ist es noch lange nicht unmöglich – es bedeutet nur, dass Ihr nicht wisst, wie es sich bewerkstelligen ließe. Ihr wollt doch bloß nicht zugeben, dass Ihr Euch irren könntet.«
»Richard, es tut mir Leid, dass ich dir deinen Traum nicht erfüllen kann.« Sie wischte eine Träne fort, die ihr die Wange hinunterlief. »Tut mir Leid, aber ich muss dich enttäuschen.«
Mit einem Ausdruck grimmiger Entschlossenheit erwiderte Cara ihren Blick. »Schätze, da haben wir etwas gemeinsam.«
Sachte berührte Richard die Statue von Seele mit den Fingerspitzen. Das nach oben gereckte Gesicht, den stolzen Blick in weißem Marmor festgehalten, verlor seinen Glanz, als die letzten Strahlen der untergehenden Sonne hinter den Hügeln versanken.
»Ihr habt mich nicht enttäuscht, keine von beiden«, erklärte er. »Ihr habt mir lediglich zu verstehen gegeben, was Ihr glaubt. Aber Kahlan ist kein Traum. Sie ist ebenso wirklich wie ihre in diesen Stein gemeißelte Seele.«
15
Als er eine Bewegung in der Ferne gewahrte, wandte Richard sich herum und sah eine Gruppe von Personen auf das Denkmal zusteuern. Von seinem erhöhten Standpunkt aus konnte er ein Stück dahinter noch eine Reihe weiterer Personen erkennen, die sich ihnen angeschlossen hatten, angelockt von der Unruhe selbst, oder aber von den entschlossenen Blicken der Männer, die sich, zu einer Gruppe zusammengeschlossen, einen Weg über die weite, offene Fläche bahnten. An der Spitze der kleinen Menschentraube ging ebenjener Mann, den Richard sehen wollte.
Er war noch ein gutes Stück entfernt, als er bereits den Arm hob und winkte. »Richard!«
Trotz der widrigen Umstände konnte Richard nicht anders, er musste lächeln, als er den altbekannten stämmigen Kerl mit seinem typischen, seltsamen roten Hut mit der schmalen Krempe erblickte. Als dieser gewahrte, dass Richard ihn bemerkt hatte, beschleunigte er seine Schritte und kam über den Rasen getrabt.
»Richard«, rief er erneut. »Ihr seid zurück – genau wie Ihr es versprochen habt!«
Als die Menschentraube den Treppenhügel hinanschwärmte, ging Richard ihnen entgegen, um sie zu begrüßen. In diesem Moment sah Richard, dass Victor sich beharrlich einen Weg durch die immer dichter werdende Menschenmenge bahnte. Auf einem breiten marmornen Treppenabsatz stürzte
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