Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
Gabe Gesegneten überfordert, die überdies noch umfassende Kenntnisse besitzen müssen. Trotzdem war allen damals bekannt, dass der Name des Großen Zauberers in Vergessenheit geraten war, in dieser Hinsicht hatte der Bann also funktioniert, aber er brauchte ja auch nur diesen einen klar umrissenen und begrenzten Zweck zu erfüllen.
Während im ersten Fall nur ein Detail verändert wird, nämlich der Name des verschollenen Zauberers, ändert sich im zweiten Fall nahezu alles. Und das ist es, was es schwieriger als schwierig, ja geradezu unmöglich macht.«
»Ich begreife es noch immer nicht.« Gestikulierend entfernte sich Richard ein Stück von der Statue, quer über den Platz und wieder zurück. »Im Großen und Ganzen scheint es mir dasselbe zu bewirken.«
»Stell dir vor, auf welch mannigfaltige Weise eine bedeutende Person wie die Mutter Konfessor das Leben nahezu jedes Einzelnen beeinflusst. Bei den Gütigen Seelen, Richard, sie stand einst dem Obersten Rat der Midlands vor und traf Entscheidungen, deren Auswirkungen in jedem Land zu spüren waren.«
Richard trat wieder auf die Hexenmeisterin zu. »Und was für einen Unterschied macht das? Zedd war Oberster Zauberer. Auch er war eine wichtige Person, die das Leben vieler beeinflusst hat.«
»Und doch haben die Menschen nur seinen Namen vergessen, nicht ihn selbst. Versuch, dir nur für einen Moment einmal vorzustellen, welche Folgen es hätte, wenn ein Bann imstande wäre, einen einfachen Mann aus der Erinnerung aller zu löschen.« Nicci entfernte sich einige Schritte und machte dann abrupt kehrt. »Sagen wir, den Köhler Faval – und zwar nicht nur seinen Namen, sondern den Mann als Ganzes. Wenn die Menschen vergäßen, dass es ihn gibt oder jemals gegeben hat, wie du es im Fall dieser Frau, dieser Kahlan, nahe gelegt hast.
Was würde geschehen? Wie würde sich Favals Familie verhalten? Wer, würden sich seine Kinder fragen, hätte sie gezeugt, wer, würde sich seine Frau fragen, hätte sie geschwängert und ihr die Kinder geschenkt, wenn sie außerstande wäre, sich an Faval zu erinnern? Wo mag dieser geheimnisvolle Mann stecken, der eine Familie gegründet hat? Würde ihr Verstand vielleicht einen anderen Mann erfinden, um ihre Panik zu besänftigen und die Leere auszufüllen? Was würden ihre Freunde denken, und wie würde das Bild, das sie sich machen, mit dem ihren zusammenpassen? Was würden all diese Menschen denken, wenn ihr Denken nicht von der Wahrheit gestützt würde? Und welches Chaos würde erst ausbrechen, wenn die Menschen dazu übergingen, ihre Gedächtnislücken mit selbst ausgedachten Erinnerungsstücken aufzufüllen, ohne dass diese Erinnerungsstücke zueinander passten? Seine Frau, seine Kinder würden die Kohlemeiler rings um ihr Haus sehen und sich fragen, wie sie dorthin gekommen sind und woher all die Holzkohle stammt. Was würde in der Gießerei geschehen, an die Faval seine Kohle verkaufte? Würde Priska vielleicht denken, dass die Holzkohle einfach so, durch Magie, körbeweise in die Kohlenbehälter seiner Gießerei gelangt wäre?
Und damit habe ich noch nicht einmal die Oberfläche der immer weiter um sich greifenden Schwierigkeiten angekratzt, die ein solch unrealistischer, bei Faval angewandter Vergiss-mich-Zauber nach sich ziehen würde – was zum Beispiel würde aus der Buchführung, der Arbeitszuteilung, den Verträgen mit Holzfällern und anderen Arbeitern, den Schriftstücken, seinen Zusicherungen und all dem Übrigen? Denk an die Verwirrung und das Durcheinander, die so etwas zur Folge hätte – und das alles, wohlgemerkt, bei einem kaum bekannten Mann, der in einer winzigen Kate am Ende einer wenig befahrenen Gasse wohnt.«
Nicci hob den Arm zu einer großartigen präsentierenden Geste. »Aber bei einer Frau wie der Mutter Konfessor höchstselbst?« Sie ließ den Arm wieder sinken. »Ich vermag mir nicht einmal ansatzweise das Chaos aus komplizierten Folgeerscheinungen vorzustellen, das ein solch unbegreifliches Ereignis hinterlassen würde.«
Niccis blonder Haarschopf zeichnete sich deutlich vor dem dunklen Hintergrund der bewaldeten Hügel jenseits der weiten, grasbewachsenen Ebene ab. Ihr langes, schwungvoll gelocktes Haar hatte etwas Zwangloses, ja angenehm Vertrautes und bot die perfekte Ergänzung zu ihrem wohlgeformten Körper im schwarzen Kleid, aber ihre machtvolle Präsenz war nicht zu unterschätzen. Als in diesem Moment ein Strahl der untergehenden Sonne auf sie fiel, bot sie, eine Person von
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