Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
bemächtigt, und bis dahin reichen selbst meine Möglichkeiten nicht. Sie atmet noch, wenn auch kaum merklich, ihr Puls ist hingegen schon so schwach, dass man ihn kaum noch spürt. Es ist, als würde ihr Körper allmählich den Betrieb einstellen, während sie uns immer mehr entgleitet. Ich bin nicht einmal sicher, ob sie noch in dem Sinne lebendig ist, wie wir uns einen lebendigen Menschen vorstellen. Ihr Leben hängt an einem seidenen Faden, und dieser Faden wird nicht mehr lange halten.«
»Aber könnt Ihr nicht …« Ihm fehlten die Worte, um den übergroßen Kummer abzuwenden, der ihn unter sich zu begraben drohte.
»Bitte, Richard«, drängte Nicci ihn leise, »komm und verabschiede dich von ihr, ehe sie von uns geht. Sag, was du ihr sagen möchtest, solange du noch Gelegenheit hast. Wenn du es versäumst, wirst du dich dafür ewig hassen.«
Richard war wie betäubt, als Nicci ihn ins Zimmer führte. Dies geschah nicht wirklich, das konnte einfach nicht sein. Das war doch Cara, und Cara war wie die Sonne, sie konnte nicht sterben. Sie war … sie war seine vertraute Gefährtin. Sie konnte nicht sterben.
18
Der trübe Schein der beiden Laternen trug nur wenig dazu bei, ein wenig Helligkeit in das düstere Zimmer zu bringen. Die kleinere stand auf einem Tisch in der Ecke, so als hätte sie sich in Gegenwart des Todes dorthin zurückgezogen, die andere dagegen stand auf dem Nachttisch neben einem Glas Wasser und einem feuchten Lappen und hatte größte Mühe, die immer näher rückenden Schatten in Schach zu halten. Über Cara lag eine Brokattagesdecke mit verschnörkeltem Goldrand gebreitet, auf der schlaff ihre Arme ruhten.
Cara hatte kaum noch Ähnlichkeit mit sich selbst, sie sah aus wie ein Leichnam, selbst im gelblichen Schein der Lampe wirkte ihr Gesicht aschfahl. Richard konnte nicht sehen, dass sie atmete. Er bekam selbst kaum Luft und fühlte, wie ihm die Knie zitterten. Der Kloß in seiner Kehle schien ihn zu ersticken. Am liebsten hätte er sich über sie geworfen und sie angefleht, doch wieder aufzuwachen.
Nicci berührte sachte ihr Gesicht, ehe ihre Finger seitlich zu ihrem Hals hinunterglitten. Richard fiel auf, dass Caras entsetzliches Zittern aufgehört hatte, auch wenn er nicht glaubte, dass dies die gute Nachricht war, für die man es vielleicht halten könnte.
»Ist sie … ist sie …?«
Nicci sah über ihre Schulter hinter sich. »Sie atmet noch, aber ich fürchte, ihr Atem wird immer flacher.«
Richard musste seinen ausgetrockneten Gaumen mit der Zunge benetzen, um überhaupt sprechen zu können. »Wisst Ihr, Cara hat jemanden, dem sie sehr zugetan ist.«
»Ach, ja? Tatsächlich?«
Richard nickte. »Die meisten Menschen halten die Mord-Sith für vollkommen unfähig, so etwas wie Zuneigung zu empfinden, aber das stimmt nicht. Cara empfindet große Zuneigung für einen Soldaten, General Meiffert. Und Benjamin empfindet für sie ebenso.«
»Du kennst ihn?«
»Ja, er ist ein prima Kerl.« Richard starrte auf den blonden Zopf, der über Caras Schulter lag und sich von dort über die Brokatdecke ausbreitete. »Ich habe ihn seit einer Ewigkeit nicht gesehen. Er dient in der d’Haranischen Armee.«
Nicci machte ein skeptisches Gesicht. »Und Cara hat dir mit ihren eigenen Worten anvertraut, dass sie diesen Mann mag?«
Kopfschüttelnd starrte er auf Caras vertraute Gesichtszüge. Ihr einstmals so hübsches Gesicht war eingefallen und blass und nur noch ein Schatten seines früheren Selbst.
»Nein, Kahlan hat mir davon erzählt. Während des einen Jahres, als ich hier unten in Altur’Rang Eure Gefangene war, sind die beiden einander recht nahe gekommen.«
Nicci wandte den Blick ab und machte sich an der Bettdecke zu schaffen, mit der Cara zugedeckt war. Als Richard näher trat, ging Nicci zu einem Stuhl am Tisch hinüber, um nicht im Weg zu sein. Ihm war, als hätte er seinen Körper verlassen und beobachtete das Geschehen von oben, er sah sich auf ein Knie heruntergehen, Caras Hand ergreifen und sie an seine Wange pressen.
»Gütige Seelen, tut ihr das nicht an«, hauchte er. »Bitte«, setzte er mit einem unterdrückten Schluchzen hinzu, »ruft sie nicht zu euch.«
Er sah zu Nicci. »Sie wollte immer wie eine Mord-Sith sterben, im Kampf für ihre Sache, nicht im Bett.«
Nicci schenkte ihm ein kaum merkliches Lächeln. »Ihr Wille ist erhört worden.«
Die Worte, die klangen, als wäre sie bereits tot, trafen ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Er durfte nicht zulassen, dass
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