Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
Haaren zu ziehen, was ihr nichts auszumachen schien.
Schließlich kam ich an die Reihe. An der kleinen Zollstation tat eine dicke Frau Dienst, die viel zu viel Schminke aufgetragen hatte. Und ihr Haar türmte sich höher als die Federbüschel auf den Helmen der Dromelier-Kavallerie. Hinter ihr stand mit gelangweilter Miene ein Wachposten, die Hand am Griff seines Schwerts.
»Und woher kommst du, mein Freund?«, fragte die Frau mit einer Schärfe, die die freundlichen Worte Lügen strafte.
»Aus Neceda, das liegt flussaufwärts.«
Sie stützte das Kinn auf eine der wabbeligen Hände. »Hab gehört, dass es da ziemlich schlimme Überschwemmungen gegeben hat.«
»Stimmt.«
Als sie mich kritisch musterte, bewahrte ich eine gleichmütige Miene. »Und was führt dich hierher?«, seufzte sie müde.
»Halte nach einem Eheweib Ausschau. Hab gehört, der beste Ort dafür sei genau an der Grenze.«
Sie unterdrückte den Anflug eines Lächelns, da sie
nicht wusste, ob sie das als Beleidigung auffassen sollte. »Was zum Teufel soll das heißen?«
»Das heißt, dass ich verdammt müde bin. Zu müde, um mit dir zu schachern«, erwiderte ich leise. »Sag mir, wie viel du haben willst, dann gebe ich dir das Geld, und danach ist Ruh.«
Mit gespielter Wut erhob sie die Stimme: »Willst du mich etwa bestechen?« Hinter mir begannen die fetschinischen Brunnengräber zu tuscheln, auch der Wachposten blickte neugierig auf. Konnte ja sein, dass sein Einsatz gefragt war.
Ich sah die Frau nur an. Sie war lediglich die Letzte in der langen Reihe von bestechlichen kleinen Dienern der Macht, denen ich bislang begegnet war. Schon vor Jahren hatte ich gelernt, dass die Störung normaler Dienstabläufe für solche Menschen die schlimmste Bedrohung darstellte, denn so etwas zog stets Zusatzarbeit und unangenehme Erklärungen nach sich.
Schließlich kratzte sie sich mit zwei Fingern an der Stirn. Ich hatte verstanden. Während ich mich vorbeugte, um meine Unterschrift unter den Passierschein zu setzen, schob ich ihr zwei Goldmünzen hin, die sie sogleich in einer Hand verschwinden ließ. Mit der anderen griff sie nach einem Wachssiegel und stempelte meine Einreisegenehmigung ab. »Die gilt für drei Tage«, erklärte sie. »Falls du bei Sonnenaufgang des vierten Tages immer noch hier bist, wird man dich verhaften und unverzüglich hängen.«
»Müsste ich am vierten Tag immer noch hier sein, würde ich mich freiwillig erhängen«, gab ich zurück und drängte mich am Wachposten vorbei durch den schmalen Durchgang.
Er versuchte noch, mir ein Bein zu stellen, doch ich umklammerte seine Ferse mit meiner, sodass er das Gleichgewicht verlor. Er schlug zwar nicht hin, geriet jedoch ins Stolpern und rempelte die dicke Frau dabei an.
»Harry, kannst du nicht aufpassen? Meine Frisur! «, blaffte sie ihn an.
DREI
P ema war so, wie Neceda gewesen wäre, hätte König Archibald sich mehr für das interessiert, was außerhalb der Palastmauern vor sich ging, und zugelassen, dass sich dank sachkundiger Kaufleute ein blühendes Geschäftsleben entwickelte.
Auf der mit Kopfstein gepflasterten Hauptstraße von Pema zogen ununterbrochen Menschen und Fuhrwerke vorbei. Jedes zweite Gebäude schien ein Wirtshaus zu beherbergen, das zumeist auch als Freudenhaus diente. Es lag auf der Hand, dass solche Örtlichkeiten Neuankömmlinge anzogen. Und für alle, denen diese Vergnügungen nicht ausreichten, gab es ein Stück weiter die Straße hinunter jede Menge Spielhöllen. Dahinter jedoch begann eine wirklich wilde Gegend: Hier hauste das Gesindel, das sich den Lebensunterhalt damit verdiente, dass es müde, arglose Reisende ausnahm. Diese Menschen wussten auch, wie man ohne den Luxus eines Passierscheins über die Grenze gelangen konnte.
Falls sich die Grenzbanditen, die die Prinzessin entführt hatten, überhaupt in der Stadt aufhielten, würde ich sie in diesem Viertel finden. Und wenn sie gerade unterwegs waren, würde sich bestimmt jemand auftreiben lassen, der ihren Aufenthaltsort kannte. Mit etwas
Geld würde ich seinem Gedächtnis schon auf die Sprünge helfen.
Da ich mit meinem Schwert und dem ziemlich abgerissenen Äußeren sowieso als übler Strolch durchgehen konnte, verzichtete ich auf zusätzliche Tarnung. Kurzerhand warf ich mir die Satteltaschen über die Schultern und richtete den Blick entschlossen nach vorn. Da ich wusste, wie mögliche Opfer aussahen, trat ich niemals wie eines auf – es sei denn, ich wollte bewusst so wirken.
Als ich
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