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Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert des Königs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Bledsoe
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ich seit Jahren nicht gedacht. Und auch nicht an die Frau in der Waldhütte, der ich bald darauf begegnet war. Ich schüttelte den Kopf und zwang mich dazu, in die Gegenwart und zur anstehenden Aufgabe zurückzukehren.
    Hai löste die Taue und schob vom Pier aus den Kahn an. Das Wasser, wegen der Schaumkronen und Schuttbrocken
so zähflüssig wie Sirup, trug uns langsam in die Mitte des Flusses. Als die Strömung uns schließlich erfasste, wäre ich fast von meinem Hocker gefallen. Die Pferde, solche Flussfahrten seit Langem gewöhnt, klapperten nur kurz mit den Hufen und stellten ihr Gleichgewicht mühelos wieder her. Kenni rollte sich wie eine Katze zusammen und schlief gleich wieder ein.
    »Kann dir keine reibungslose Fahrt versprechen«, sagte Hai. »Also stell dich lieber darauf ein. Ich hoffe, du kannst schwimmen.«
    »Kannst du’s?«
    »Blöde Frage – natürlich nicht!« Er kicherte. »Deshalb sorg ich ja auch dafür, dass mein Kahn nicht kentert. Heißt aber auch, dass ich dir nicht den Arsch retten kann, falls du über Bord gehst.«
    Während sich Hai ans Ruder stellte, ließen wir Neceda hinter uns. Mir war so, als hätte ich am Pier kurz denselben gut gekleideten jungen Mann gesehen, der sich vorhin in die Metzgerei geflüchtet hatte. Allerdings war ich mir nicht sicher, denn er hatte gleich wieder kehrtgemacht und war danach verschwunden. Vielleicht war es auch nur irgendjemand gewesen, der sein Getreide verschiffen wollte.
    Ich zog das Porträt der Prinzessin aus der Jackentasche und versuchte mir ihre Gesichtszüge einzuprägen. Bei der zufälligen Begegnung mit einem Mädchen, das meine Ausreißerin sein konnte, würde mir wohl kaum Zeit bleiben, das Porträt zum Vergleich heranzuziehen. Während ich der Prinzessin in die Augen sah, versuchte ich in ihre Gedankenwelt einzudringen.
    Für eine Fünfzehnjährige war es eigentlich viel zu früh,
über die Mauer zu springen und auszureißen, insbesondere für eine Prinzessin des Hauses Balaton. Was hatte sie dazu bewogen? Trotz ihres abgeschiedenen Lebens im Palast glaubte ich nicht, dass sie sich naiven Tagträumen hingegeben hatte. Denn selbst wenn man dem Kupferstecher künstlerische Freiheit in der Darstellung unterstellte: Das traurige Lächeln und die ausdrucksvollen Augen deuteten auf eine Intelligenz hin, die meiner Erfahrung nach bei Königskindern nicht eben oft zu finden ist. Sie musste gewusst haben, dass die meisten Grenzbanditen keine romantischen Abenteurer sind, dass diese Männer wahrscheinlich die erste Gelegenheit dazu nutzen würden, sie flachzulegen, danach zu töten und in irgendeinen Straßengraben zu werfen.
    »Wer ist das Püppchen?«, fragte Hai und beugte sich über meine Schulter.
    »Eine Ausreißerin.« Ich steckte das Porträt wieder in die Jackentasche. »Ihr Papa möchte sie zurückhaben.«
    »Hätte dich nie für ein Kindermädchen gehalten.«
    »Und ich dich nie für jemanden, der seine Nase in alles stecken muss.«
    Er gab vor, beleidigt zu sein, und presste sich die Hand aufs Herz. »Oh, das tut wirklich weh, Eddie!«, sagte er und blickte mit finsterer Miene zum Ufer hinüber. »Kannst von Glück sagen, dass ich so bin, sonst hätte ich das da drüben sicher nicht bemerkt.«
    Unauffällig deutete er mit dem Kinn zum Treidelweg hinüber, der parallel zum Fluss verlief. Als ich ebenso verstohlen nach irgendetwas Ungewöhnlichem Ausschau hielt, fiel mir ein einsamer Reiter auf. Er war so weit entfernt, dass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte, doch
seine Haltung verriet mir, dass er der Mann war, der uns vom Pier aus beobachtet hatte. »Folgt er uns?«
    »Allerdings. Er hätte uns längst überholen können, wenn er das gewollt hätte. Bei dem hohen Wasserstand kommen wir ja nicht gerade schnell voran, schließlich muss ich den Kahn von der reißenden Strömung in der Flussmitte fernhalten.«
    »Schuldest du zufällig irgendjemandem Geld?«
    »Klar. Aber niemandem, der es so dringend braucht, dass er uns verfolgen würde.«
    Da es keine Möglichkeit gab, unseren Schatten abzuschütteln, beschloss ich, den Mann einfach nicht mehr zu beachten, bis wir zur Grenze kamen. Erneut grübelte ich darüber nach, was eine schöne, verwöhnte Fünfzehnjährige dazu treiben konnte, von zu Hause wegzulaufen. Schließlich holte ich eine der Goldmünzen heraus und drehte sie gedankenverloren hin und her. Wie bei fast allen Münzen war auf einer Seite das Profil des Königs eingeprägt. Ich musterte es gründlich und überlegte

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