Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
alt, dass keine davon meine Prinzessin sein konnte. Der Vierten quoll zu viel üppiges Fleisch aus dem Mieder.
Die Fünfte saß sittsam neben einem großen Kerl, der mir irgendwie bekannt vorkam, es mochte aber auch nur eine optische Täuschung sein. Es war zwar nicht ausgeschlossen, aber doch sehr unwahrscheinlich, dass ich ihm schon einmal begegnet war.
Nachdem ich meinen Rum vor mir stehen hatte, drehte ich mich um und ließ meinen Blick so beiläufig durch den Raum schweifen, wie es auch jeder andere Reisende getan hätte. Die Gesichtszüge des sittsamen Mädchens konnte ich noch immer nicht deutlich erkennen, doch ihr Alter entsprach in etwa dem der verschollenen Prinzessin. Und auch ihr Haar. Zwar war die Kleine wie ein Bauernmädchen auf Stadtbesuch gekleidet, trotzdem wäre es ziemlich dreist gewesen, hätten die Grenzbanditen ihre Gefangene hierher mitgeschleppt: Jederzeit hätte jemand sie erkennen können, denn hin und wieder verkehrten hier zweifellos auch Reisende aus Gurius, der Hauptstadt Balatons.
In diesem Moment hob das Mädchen den Kopf und sagte etwas zu dem Mann neben sich. Verdammt, offenbar war sie es tatsächlich: Prinzessin Lila, Tochter des Königlichen Hauses von Balaton. Sie wirkte nicht so, als hätten die jüngsten Ereignisse sie sonderlich mitgenommen.
Als der Mann sich umwandte, um ihr zu antworten, wusste ich auf einmal, warum er mir bekannt vorgekommen war. Und warum die Prinzessin ausgerissen war.
Lila stand auf und ging leicht schwankend auf die Tür zu, die zum Plumpsklosett auf dem Hof führte. Es war ihr deutlich anzumerken, dass sie solche Getränke, wie sie hier ausgeschenkt wurden, nicht gewöhnt war. Ihr Tischnachbar sah ihr die ganze Zeit hinterher.
Vermutlich hatte ich mich auffälliger verhalten als gedacht, denn plötzlich tauchte der Schankwirt vor mir auf und räusperte sich. »Würde Ryans Mädchen nicht so anstarren, wenn ich du wäre«, bemerkte er.
»Wenn er nicht will, dass die Leute glotzen, sollte er das Mädchen besser zu Hause lassen«, gab ich barsch zurück und zwang mich dazu, einen Schluck von dem Teufelszeug zu trinken, was ich sofort bereute: Es verätzte mir fast Kehle und Speiseröhre.
»Gute Inschrift für deinen Grabstein«, meinte er und ließ mich allein.
Ich gab der Prinzessin ein bisschen Zeit, es sich auf ihrem Thron bequem zu machen, dann kippte ich den Rest des Rums hinunter und stand auf. Das Gesöff hatte mir die Röte ins Gesicht getrieben – ich hoffte nur, dass es niemandem auffiel. Mittlerweile vertrug ich längst nicht mehr so viel wie als junger Mann.
Lila blickte erschrocken vom Latrinensitz auf und machte große Augen, als ihr klar wurde, dass hier ein männliches Wesen eingedrungen war. Ein Auge öffnete sich nicht so weit wie das andere, weil es ringsum angeschwollen war. Eindeutig ein Bluterguss, der aber bereits verblasste. »Das also ist die wahre Geschichte der ›Prinzessin
auf der Erbse‹, die morgens mit blauen Flecken aufwachte, wie?«, sagte ich.
»Wer zum Teufel bist du?«, schrie sie und versuchte, ihren Rock herunterzuziehen, ohne dabei aufzustehen. »Wieso benutzt du nicht eines der drei anderen Klosetts? Die sind alle leer«, setzte sie um Beherrschung bemüht nach.
»Ich bin hier genau richtig, Lila.«
Sie erstarrte und funkelte mich an. »Ich gehe nicht zurück!« , zischte sie.
»Dachte mir schon, dass du das sagen würdest.« Müde kratzte ich mich am Bart. »Also, wer hat dir das Veilchen verpasst?«
»Was glaubst du denn?«, murmelte sie. »Bist du so gut und drehst dich jetzt um, damit ich mich wieder anständig herrichten kann?«
»Bin nur deswegen so alt geworden, weil ich den Menschen nicht den Rücken zukehre. Mach du nur, ich verspreche dir auch, dass ich den Anblick nicht genießen werde.«
Was keineswegs gelogen war. Misshandelte Kinder sind wirklich nicht mein Ding.
»Wir stecken also in einer Zwickmühle«, bemerkte ich, während sie ihre Pluderhosen hochzog und die Unterröcke ordnete.
»Ich geh auf keinen Fall zurück!«, wiederholte sie. Das Veilchen an ihrem Auge sah aus, als wäre es etwa drei Wochen alt. Genau zu dieser Zeit war sie verschwunden. »Lieber lass ich mich umbringen, als dorthin zurückzukehren!«
Über mein weiteres Vorgehen war ich mir noch nicht
ganz im Klaren, aber das musste ich sie ja nicht wissen lassen. »Ich hab aber schon Geld für meinen Auftrag angenommen«, sagte ich.
Sie langte nach einem Beutel an ihrer Taille. »Ich kann dir das Doppelte
Weitere Kostenlose Bücher