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Das Schwert des Liktors

Das Schwert des Liktors

Titel: Das Schwert des Liktors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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dem dritten stach mir, tief zwischen zwei Felsen eingeklemmt, so daß ich schließlich zum Kiefernhain gehen und mir Zweige brechen mußte, um es freizustochern und heraufzufischen, etwas ins Auge, das weder azurblau noch ein Edelstein war, aber sternengleich ein grelles, weißes Licht verströmte.
    Mehr aus Neugier denn aus Ehrfurcht zog ich es heraus. Es hatte so wenig Ähnlichkeit mit dem Schatz, den ich suchte – oder zumindest mit den Bruchstücken, die ich auflas –, daß ich mir kaum hatte vorstellen können, es habe etwas damit gemein, ehe ich es in der Hand hielt. Ich kann nicht sagen, wie es möglich ist, daß ein schwarzer Gegenstand Licht spendet, aber dem ist so gewesen. Es wirkte wie aus Gagat geschliffen, so dunkel und glänzend war es; dennoch leuchtete es, das krallenförmige Gebilde, die Klaue, lang wie das letzte Glied meines kleinen Fingers, grimmig gebogen, nadelspitz, das Kernstück im dunklen Herzen des Juwels, das wohl lediglich ein Gefäß dafür, eine Lipsanothek, eine Pyxis gewesen war.
    Lange Zeit kniete ich dort mit dem Rücken zur Burg, blickte von diesem wunderlichen, leuchtenden Schatz zu den Wellen und wieder zurück und versuchte, seine Bedeutung zu ermessen. Als ich sie so ohne den Schrein aus Saphir betrachtete, spürte ich eine starke Wirkung, die ich überhaupt nicht bemerkt hatte in all den Tagen, bevor sie mir im Haus des Hetmans abgenommen wurde. Immer wenn ich die Klaue ansah, löschte sie offenbar das Denken aus. Nicht wie Wein oder bestimmte Drogen dies bewirken, indem sie den Verstand dazu unfähig machen, sondern indem sie das Denken durch einen höheren Zustand ersetzte, für den ich keinen Namen weiß. Immer wieder drang ich in diesen Zustand vor, immer höher steigend, bis ich befürchtete, ich könnte nie mehr zu jenem Bewußtsein zurückfinden, das ich Normalität nenne; und immer wieder riß ich mich davon los. Bei jedem Herauskommen war mir, als hätte ich unaussprechliche Einsichten in grenzenlose Realitäten gewonnen.
    Nach einer langen Reihe solcher kühnen Vorstöße und furchtsamen Rückzüge verstand ich allmählich, daß ich nie wirkliches Wissen über dieses kleine Ding, das ich hielt, erlangen würde, und mit diesem Gedanken (denn es war ein Gedanke) kam ein dritter Zustand, ein Zustand freudigen Gehorsams – gegenüber was, wußte ich nicht –, eines Gehorsams ohne Überlegung, denn es gab nichts mehr zu überlegen, und ohne den kleinsten Anflug von Auflehnung. Dieser Zustand hielt den ganzen Tag und fast den ganzen nächsten Tag an, als ich schon tief in den Bergen war.
    Hier halte ich inne, nachdem ich dich, Leser, von Festung zu Festung geführt habe – von der wehrhaften Stadt Thrax, die den oberen Acis beherrscht, zur Burg des Riesen, die das Nordufer des entlegenen Sees Diuturna beherrscht. Thrax war für mich das Tor in die wilde Bergwelt. Auch dieser einsame Turm sollte sich für mich als Tor erweisen – als Schwelle zum Krieg, von dem hier nur ein einzelnes versprengtes Scharmützel stattgefunden hatte. Von nun an hat mich dieser Krieg fast ohne Unterlaß in Beschlag genommen.
    Hier halte ich inne. Wenn du dich nicht an meiner Seite in das Kampfgetümmel stürzen willst, Leser, kann ich’s dir nicht verübeln. Es ist keine leichte Schlacht.
     

 

 
Anhang
 
Anmerkung zur Provinzverwaltung
     
    Severians kurze Schilderung seiner Laufbahn in Thrax ist der beste (wenn auch nicht einzige) Nachweis über die Landesverwaltung im Zeitalter der Republik, wie sie sich jenseits der glänzenden Korridore des Hauses Absolut und der überfüllten Straßen von Nessus abspielt. Eindeutig trifft unsere Einteilung in Legislative, Exekutive und Judikative nicht zu – Verwalter wie Abdiesus würden sicherlich lachen über unsere Vorstellung, die Gesetzgebung sollte auf eine Gruppe, die Vollziehung auf eine zweite und die Rechtsprechung auf eine dritte beschränkt sein. Sie hielten diese Gewaltenteilung für inpraktikabel – was sie erwiesenermaßen auch ist.
    Zur Zeit der Manuskripte werden Archone und Tetrarchen vom Autarchen ernannt, der als Vertreter des Volkes alle Gewalt in Händen hält. (Siehe jedoch Famulimus’ diesbezügliche Äußerung gegenüber Severian.) Diesen Amtsträgern obliegt die Durchführung der Verordnungen des Autarchen und die Rechtsprechung im Einklang mit den überlieferten Gepflogenheiten der Bevölkerung, der sie vorstehen. Sie sind zudem befugt, örtliche Gesetze zu erlassen – die nur im Hoheitsgebiet des Gesetzgebers

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