0235 - Hexenabend mit Jane Collins
Es regnete.
Der Herbst kündigte sich an. Schwere Wolken hingen am Himmel, aus denen die winzigen Tropfen als Sprüh fielen und im Schein der zahlreichen Lampen bunt oder silbern aufblitzten.
Ein Wetter, wo man darüber nachdachte, einfach im Haus zu bleiben, doch die Straßen in London waren zu dieser frühen Abendstunde brechend voll.
Auch der Reporter Bill Conolly befand sich auf der Straße. Er hockte in seinem Porsche, den er oft genug nur im Schritttempo bewegen konnte, hatte das Radio eingeschaltet, lauschte der Musik und schüttelte hin und wieder ärgerlich den Kopf, wenn er vor einer Ampelschlange oft länger als fünf Minuten warten mußte.
Bill machte sich Vorwürfe, daß er so früh gefahren war. Er hätte noch länger in der Redaktion bleiben sollen, wo er einen kleinen Artikel hingebracht hatte, aber Sheila drängte ihn, nach Hause zu kommen, da sie Karten für eine Theaterpremiere ergattert hatte.
Ein wenig Abwechslung tat gut nach den Ereignissen, die hinter den Conollys lagen. Es war hoch hergegangen, und ihrer aller Leben hatte buchstäblich am seidenen Faden gehangen, denn der Hexe Jane Collins wäre es fast gelungen, die Conollys zu töten. Dank Kara, der Schönen aus dem Totenreich, war dieser Plan schiefgelaufen, aber Jane Collins hatte noch längst nicht aufgegeben. [1] Sie befand sich weiterhin in London und lauerte auf ihre Chance.
Das nahm Bill nicht nur an, sondern rechnete fest damit. Schließlich hatte er die Worte aus Janes Mund gehört. Zusammen mit dem Freund John Sinclair hatten die Conollys überlegt, wie sie sich gegen einen überraschenden Angriff der Hexe wehren konnten, und waren zu dem Entschluß gelangt, in der Wohnung verteilt zahlreiche geweihte Kreuze aufzuhängen.
Besonders Johnny brauchte einen Schutz, und zwar einen doppelten, denn für einen Teil sorgte die Wölfin Nadine, in deren Leib die Seele eines Menschen steckte.
Bill befand sich in Nähe des Buckingham Palace und wollte in die King's Road einbiegen. Sie lag nur eine Steinwurfweite entfernt, bis er jedoch dorthin gelangte, konnte es noch gut zwanzig Minuten dauern, denn der Verkehr nahm nicht ab.
Auf der Frontscheibe des Wagens hatte sich ein Film abgesetzt. Der Sprühregen brachte auch Dreck und Staub mit, die Wischer arbeiteten im langsamsten Gang. Hin und wieder mußte Hill die Spülung einschalten, um die Scheibe freizubekommen.
Vor ihm rollte ein Lastwagen. Vorbei konnte Bill nicht, so war er gezwungen, auf dessen schmutziges Heck zu schauen und sich die dunklen Abgaswolken anzusehen, die in regelmäßigen Abständen aus dem Loch des Auspuffrohres quollen.
Bill konnte das Gebläse nicht einschalten, denn es saugte nicht nur die Luft an, sondern auch die Abgase. Die Ampel vor ihm konnte er nicht sehen, doch der Lkw fuhr wieder an, und dem Reporter quoll abermals ein Stoß grauer Wolken entgegen, die träge über die flache Schnauze des Porsche wallten und sich an der Scheibe festzuklammern schienen.
Der Reporter hoffte, bei der nächsten Phase über die Ampel zu gelangen, er wurde enttäuscht. Der Lkw blieb stehen, also mußte er auch halten.
Wieder Pause.
Bill wollte sie nutzen. Im Wagen zwischen den beiden vorderen Sitzen befand sich die Konsole mit dem Autotelefon. Bill hob den Hörer ab und tippte eine Nummer, die er auswendig kannte, nämlich seine eigene. Er wollte Sheila mitteilen, daß es leider doch später wurde. Sie sollte sich auf jeden Fall schon umziehen.
Nicht Sheila hob ab, sondern Johnny. Als er die Stimme seines Vaters hörte, wollte er sofort erzählen, wie es ihm in den letzten vier Stunden ergangen war, doch Sheila nahm ihm den Hörer aus der Hand, und Bill hörte ihre Stimme.
»Ja, Bill, was ist?«
»Ich hänge fest.«
»In einem Pub?«
»Nein. Erstens im Auto und zweitens im Verkehr.« Bill warf einen Blick nach draußen in den Regensprüh.
»Ich bin nicht mehr weit von der King's Road weg, aber noch nicht drauf. Die Ampeln haben sich heute gegen mich verschworen. Sorry.«
»Wann kannst du denn da sein?«
»Wenn es so weitergeht wie bisher, in frühestens 45 Minuten.«
»Mensch, Bill, das ist zu spät.«
Der Reporter verdrehte die Augen. »Ich kann doch auch nichts daran ändern.«
»Du hättest eben nicht fahren sollen.«
»Ja, ja, aber wer konnte ahnen, daß heute halb London auf den Beinen ist?«
»Versuch es zu schaffen.«
»Sicher.« Bill lehnte sich zurück und schaute abermals aus dem Fenster. Er sah die zahlreichen Fußgängerströme, die bei für
Weitere Kostenlose Bücher