Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
eingreifen konnte, hatte er sein Schwert gezogen und dem Jungen mit einem Hieb den Kopf abgeschlagen. Entsetzt sprangen seine Gefährten zur Seite, als der kopflose Rumpf gegen sie taumelte und einen Schwall von Blut über ihre Beine pumpte. Auch mir blieb fast das Herz stehen.
»Bindet die Leiche auf seinen Gaul«, befahl Pierron den vor Furcht zitternden Geiseln. »Und richtet Seiner Heiligkeit schöne Grüße aus.«
»Verflucht, Pierron«, brüllte Onfroi. »Musste das sein?«
Der sah ihn grimmig an. »Das war für die Beleidigungen, die wir einstecken mussten. Und damit sie wissen, dass wir uns nie ergeben werden.«
Später am Abend nahm Robert mich zur Seite. »Egal, was geschieht, Pandulf muss sterben«, flüsterte er in der Dunkelheit. »Ich will das Schwein tot sehen.«
»Wir alle, glaube ich.«
»Bei Onfroi bin ich mir nicht sicher. Der kann niemanden kaltblütig ermorden. Nicht wie Pierron.«
»Hast du gehört, was Pandulf über Gaitelgrima gesagt hat?«
»Vergiss es. Der Bastard will nur weiter Unfrieden stiften. Höchste Zeit, ihn zu beseitigen.«
»Wie willst du das anstellen? Der ist doch von Leibwachen umgeben.«
»Vielleicht ergibt sich während der Schlacht eine Gelegenheit. Nur, ich werde mich darum nicht kümmern können. Ich muss unsere Männer anführen.«
Er sah mich durchdringend an.
»Meinst du etwa, ich soll …?«
»Nimm Fulko und zehn Männer. Sieh zu, dass du in seine Nähe kommst. Fulko kann seine Leibwachen abdrängen. Und du bringst ihn um. Für die Familie.«
Ich schluckte heftig. »Wenn du meinst.«
»Hast du Angst?«
»Nein.«
»Natürlich hast du Angst. Ist auch gut so. Dann bist du wenigstens nicht unvorsichtig.«
»Werden wir morgen siegen?«
»Eher unwahrscheinlich. Aber kampflos abziehen, das ist nicht Normannenart. Da hat Pierron schon recht.«
Ich erinnerte ihn an die Worte des alten Tancred. »Ein Normanne beugt sich vor niemandem.«
Er lächelte. »Ganz recht. Unser Vater hätte es nicht verstanden, wenn wir jetzt den Schwanz einzögen. Und vielleicht haben wir ja Glück. Und sollten Onfroi und ich morgen fallen, dann schlag dich nach Hause durch und berichte unserer Mutter. Versprich es mir.«
Ich nickte beklommen. »Und was ist mit Alberada?«
»Sie weiß, was auf dem Spiel steht. Sie hat Argentano und mein Gold. Ihr und dem Kind wird es an nichts fehlen.«
Ich atmete tief durch. »Also gut.«
An diesem Abend schärften die Männer lange ihre Waffen. Dann zechten sie still die ganze Nacht hindurch und soffen so ziemlich alles aus, was wir an Wein noch dabeihatten. Um sich zu betäuben, um den Hunger zu vergessen, aber vor allem um nicht an die Grauen des nächsten Tages zu denken. Besser besoffen in die Schlacht ziehen als mit zitternden Händen, die vor lauter Angst das Schwert nicht mehr halten konnten.
Ich aber verschenkte meinen letzten Wein an Rollo. Lieber einen klaren Kopf behalten, dachte ich und legte mich ins Gras, um mit bangem Herzen zum Sternenhimmel emporzustarren.
Ich hatte so viel erlebt, seit wir von Hauteville ausgezogen waren, wie andere in ihrem ganzen Dasein nicht. Unbekümmert waren wir den langen Weg bis nach Italia gewandert, lustig war das Leben mit den Kameraden gewesen, wir hatten Abenteuer erlebt, von denen man eines Tages seinen Enkelkindern würde erzählen können. Wie der alte Tancred. Das hieß, wenn ich es überlebte.
Um mich herum knisterten die Lagerfeuer. Das gelegentliche Schnauben der Pferde und das Gemurmel der Männer hatten etwas Vertrautes, Anheimelndes an sich. Ich schloss die Augen und ließ mich von ihren gedämpften Stimmen tragen, so wie ein Kind sich von der Mutter wiegen lässt und auf ihren Herzschlag lauscht. Ein trügerisches Gefühl der Sicherheit, denn morgen wartete der Tod auf uns. Würde Gerlaine um mich trauern?
*
Wochenlang hatten wir unter der frühsommerlichen Hitze gelitten, mit Tagen, an denen kaum ein Wölkchen am ewig blauen Himmel zu sehen gewesen war. Und nun bescherte uns ausgerechnet dieser Morgen dunkle, tiefhängende Wolken, die von Westen her über das Land zogen. War das ein schlechtes Omen? Die Christen unter uns bekreuzigten sich und sandten Gebete zu ihrem Heiland, andere küssten ihre Amulette, die sie um den Hals trugen.
Tatsächlich hatte seit dem Morgengrauen ein feiner Nieselregen eingesetzt. Sollte er sich verstärken, würde der Boden bald nass und schwer werden, ermüdend für die Pferde.
Aufs Feuermachen wurde verzichtet. Zu essen gab es ohnehin nichts als
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