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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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je über ihren Reichtum. Trotzdem tuschelte man im Dorf. Gelegentlich fiel sogar das Wort »Hexerei«, wenn auch nur geflüstert und begleitet von einem scheuen Lächeln, als könne man selbst nicht glauben, was man da gesagt hatte.
    Das laute Knarren einer Ratsche riss mich aus den Gedanken. Ich drehte mich um. Ein kleiner Junge stand auf dem Burghof zwischen einigen Hühnern und drehte die Ratsche; ein Mönch musste es ihm aufgetragen haben. Er rief den Beginn der zwölften Stunde aus, Zeit für das Mittagsmahl.
    Klara richtete sich erleichtert auf. Ihre Gebende hatte sich an Stirn und Schläfen schweißgrau verfärbt. Erde klebte an ihren Knien.
    »Ich bin froh, wenn uns endlich wieder die Glocken rufen und nicht diese Ratschen. Das geht einem ja durch Mark und Bein.«
    »Es ist ja nur eine Woche im Jahr«, sagte ich, während ich den Strick vom Pfosten abstreifte und das Tor öffnete. Am liebsten hätte ich noch hinzugefügt, wie falsch mir das fröhliche Läuten der Glocken zu einer Zeit vorgekommen war, in der wir uns der Leiden unseres Herrn Jesus Christus erinnerten, aber ich wollte nicht wie Gertrud klingen. Sie wies sogar die Kinder zurecht, wenn sie in diesen Tagen spielten oder lachten.
    Klara schien meine Gedanken zu erraten. »Ich verstehe, warum es so sein muss«, sagte sie, »ich mag das Geräusch nur nicht.«
    Sie schloss das Tor hinter sich, und gemeinsam gingen wir über den Burghof zu den beiden langen Holztischen, die vom Gesinde aufgestellt worden waren. Zwei Lehrlinge trugen Bänke aus der Küche auf den Hof. Helene und Kunigunde folgten ihnen mit großen, dampfenden Holzschüsseln auf den Armen. Mehrere Brote lagen bereits auf den Tischen.
    Ich wandte den Kopf, als ich Männerstimmen hörte. Eine Gruppe Hausdiener verließ gerade einen Vorratskeller. Sie trugen blank polierte Stiefel, Beinlinge und kurze grüne Leinentuniken, und sandgelbe Wollumhänge lagen auf ihren Schultern. Es waren die Uniformen, die sie beim Bankett tragen würden. Zwischen den erdfarbenen und schmutzgrauen Knechten sahen sie aus wie Blumen im Schlamm. Schließlich verschwanden sie im Haupthaus.
    »Madlen, was machst du denn da?«, rief Klara. Sie saß bereits an dem Tisch, der den Frauen vorbehalten war.
    »Nichts«, sagte ich leise und eilte ihr nach.
    Als alle eingetroffen waren und sich gesetzt hatten, sprach Gustav, der Stallmeister, ein kurzes Gebet. Wir senkten demütig die Köpfe und warteten, bis er sich für die Gaben des Schöpfers bedankt hatte.
    Ich bemühte mich, die Bediensteten in ihrer bunten Kleidung zu vergessen und daran zu denken, wie gut ich es hatte. Trotz Heinrichs Tod und der schlechten Ernte des Vorjahres bekam ich zwei Mahlzeiten am Tag und durfte abends sogar etwas von dem Brot, das am Herrentisch übrig geblieben war, für meine Mutter und meine beiden Schwestern mitnehmen. Vater Ignatius hatte recht: Es führte zu nichts Gutem, wenn der Fisch versuchte, es den Vögeln gleichzutun. Jedes Ding auf der Welt hatte seinen Platz, und meiner war an diesem Tisch, nicht in den Zimmern über dem Torbogen.
    Helene reichte Brot und einen langen Holzlöffel herum. Kohlsuppe dampfte in der Schüssel. Wir aßen nacheinander. Das Brot war hart, die Suppe sauer und scharf. Wir tranken Bier aus einem Krug und rülpsten. Es wurde nur wenig geredet. Man aß, kaute, schluckte und wartete, dass der Löffel seine Runde beendete.
    Ich sah hinüber zum Tisch der Knechte. Auch sie aßen schweigend. Josef saß zwischen ihnen, ich erkannte ihn an seinem breiten Rücken und dem schütteren blonden Haar, das der Wind zerzauste. Anscheinend hatte er die Fische für das Herrschaftsmahl bereits gefangen. Er war Heinrichs Bruder, und ich würde ihn im Sommer heiraten. Wenn ich daran dachte, fühlte ich nichts.
    »Der Schultheiß«, flüsterte Klara plötzlich.
    Es mussten sie alle am Tisch gehört haben, aber kein Kopf wurde gehoben, und kein Blick richtete sich auf den Mann, der das Haupthaus verließ und mit raschen Schritten auf uns zustapfte. Er blieb am Kopfende hinter Helene stehen, die weder wagte, sich umzudrehen, noch, einen Schluck aus dem Bierkrug zu nehmen, den sie mit beiden Händen festhielt.
    Karl der Kleine verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Seine Schultern stachen hervor wie die Knochen eines Huhns.
    »Madlen?«, fragte er.
    Ich zuckte zusammen. Die Kohlsuppe brannte in meinem Mund bis in den Magen hinunter. Ich schluckte und stand auf, den Kopf gesenkt, den Blick auf den Brotkanten in meinen

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