Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
zurückgekehrt wären?«, fragte Al Hakam. »Tagelöhner? Bauern? Knechte?«
»Vielleicht, aber in jedem Fall keine Sklaven.« Hugo klang trotzig. Am liebsten hätte ich ihn getreten. Er hatte recht, aber es war respektlos, so mit einem Gastgeber zu sprechen.
Al Hakam stand auf. »Kommt.«
Wir folgten ihm in das Atrium. Jungen kehrten den Boden. Sie gingen barfuß, aber ihre Kleidung war sauber und ungeflickt.
»Geht es ihnen schlechter als einem Tagelöhner?«
Hugo hob die Schultern.
Al Hakam lächelte, dann führte er uns aus dem Atrium und durch einen Gang bis in einen großen offenen Innenhof. Soldaten schlugen mit Kurzschwertern auf ein hölzernes Ziel ein, Sklaven reichten ihnen Tee oder arbeiteten in einem Garten auf der anderen Seite. Aus den Ställen an der Rückseite des Hofs kam ein Mann.
»Ott«, rief ich.
Er ließ die Mistgabel fallen und lief auf mich zu. Die Soldaten hielten kurz inne, dann setzten sie ihre Übungen fort.
Ott umarmte mich und Hugo, nach einem Moment reichte er Diego die Hand. Sein Blick fiel auf dessen Wange, aber er sagte nichts.
Al Hakam zog sich zurück, bis er außer Hörweite war.
»Was macht ihr hier?«, fragte Ott.
»Euch suchen.« Ich hatte nicht gedacht, dass es mich so freuen würde, ihn wiederzusehen. »Lena lässt dich grüßen.«
Ott grinste. »Dann hat das Scheißfieber sie also doch nicht erwischt. Gut.« Er kratzte sich am Kopf. »Wie ihr seht, trag ich jetzt den Sarazenen ihren Arsch hinterher. Schon komisch, wie alles gekommen ist.«
»Schlagen sie dich?«, fragte Hugo leise, obwohl ihn Al Hakam nicht hören konnte.
»Mich?« Ott nickte. »Ja, ziemlich oft, die anderen nicht. Wenn du tust, was sie sagen, lassen sie dich in Ruhe. War leider noch nie meine Stärke.« Er spuckte aus und verrieb den Fleck im Sand. »Ach, was soll’s. Irgendwann schnapp ich mir ein Pferd und hau ab.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Aber wenn ihr mir einen Gefallen tun wollt, dann bittet Al Hakam, Cornelius freizulassen. Der verreckt hier noch vor Angst.«
»Cornelius ist hier?« Ich sah mich um.
»Dort hinten.« Ott zeigte auf die Sklaven, die neben den Soldaten hockten. »Cornelius!« Er winkte.
Einer der Jungen sah auf. Es war Cornelius. Er wirkte blass und übernächtigt.
»Bitte sorgt dafür, dass ich ihn loswerde«, fuhr Ott fort, während Cornelius langsam zu uns kam. Er trug ein langes Hemd, in dessen Falten seine Hände verschwanden. »Wir teilen uns ein Quartier. Die ganze Nacht heult er.« Dann ahmte er Cornelius’ Stimme nach. »Wir sind verflucht, Gott straft uns wegen der Sünder, bla bla bla … Ich werd noch verrückt.«
Ich sah Diego an. Er nickte. »Ich werde Al Hakam darum bitten.«
Cornelius blieb vor uns stehen. Seine Unterlippe zitterte, seine Augen glänzten, als hätte er Fieber.
»Madlen«, sagte er so leise, dass ich mich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen. »Du bist schuld«, flüsterte er. »Judenhure.«
Etwas blitzte zwischen den Falten seines Hemdes. Auf einmal wurde die Zeit zähflüssig wie Honig.
Cornelius hielt ein Kurzschwert in der Hand. Ich dachte daran, dass er es von den Soldaten gestohlen haben musste, als gäbe es nichts Wichtigeres. Sein Gesicht verzerrte sich. Mit einer Hand umklammerte er den Griff des Schwerts, die andere legte er unter den Knauf. Er ging in die Knie, spannte die Muskeln an, und der Schrei, den er ausstieß, war voller Wut, Verzweiflung, Angst und Hass.
Die Klinge schob sich meiner Kehle entgegen. Ich hob den Kopf, aber ich war zu langsam, viel zu langsam.
Eine Bewegung. Ein Schatten. Ein Aufprall, der mich von den Beinen riss.
Ich stürzte, schlug so hart in den Sand, dass ich einen Moment lang nicht atmen konnte. Verschwommen sah ich Diego, der sich auf die Knie niederließ – oder fiel er auf die Knie?
Ott war mit einem Schritt bei Cornelius und zog ihn zurück. Soldaten liefen herbei. Al Hakam brüllte einen Befehl. Das Schwert in Cornelius’ Hand war blutüberströmt.
Ich tastete über meine Brust, entdeckte aber keine Wunde, spürte keinen Schmerz. Dann sah ich Diego an. Er kniete immer noch am Boden.
»Steh auf«, flüsterte ich. »Bitte steh doch auf.«
Sein Oberkörper sackte nach vorn. Er wollte sich mit den Armen abstützen, aber sie knickten unter ihm weg. Blut tropfte in den Sand.
Ich kroch zu ihm, zog ihn in meinen Schoß. In seinem Hemd klaffte ein Riss. Aus seiner Brust quoll Blut.
Diego sah mich an, schweigend, still. Ich beugte mich zu ihm hinunter, küsste sein Gesicht,
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