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Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)

Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)

Titel: Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Beschichtung vor den Nasties. Für bestimmte Dienstleistungen werden standardisierte Klone unterschiedlicher Größe namens Michelle und Jerry eingesetzt. Die Rohbauten der hohen Wohntürme sind mit Nanoassemblern emporgewachsen. Eine zentrale Stellung hat die Beziehung der menschlichen User zu ihren »Butlern«, ihren sie ein Leben lang begleitenden intelligenten Programmen. Die Hardware von »Henry«, Sams Butler, ist »elektro-neurales Gel«, »das teuerste, höchstentwickelte und am strengsten kontrollierte Gut unter Sol«. Körperinterne Nanoprozessoren dienen als Interface zu Henry, der physisch im Atelier in Chicago steht, sodass er ständig in Sams Gedanken präsent ist. Als Eleanor und Sam sich kennenlernen, nehmen auch ihre Butler Kontakt auf, checken parallel den Lebenslauf der anderen Seite und informieren ihre User über die Ergebnisse. Henry funktioniert als Gedächtnis, als Archiv des künstlerischen Lebenswerks, als alltäglicher Organisator. Mehr noch: »Seine Persönlichkeitsknospe selbst ließ sich nicht ersetzen. Ich hatte sie achtzig Jahre lang wachsen lassen. Es handelte sich um ein einzigartiges Designwerkzeug, das perfekt auf meine Denkweise abgestimmt war.« Das Verhältnis von User und Butler stellt also eine intime Symbiose dar. Als Henry sich abschaltet, weil er vom übereifrigen Sicherheitschef Eleanors auf mögliche Risiken hin untersucht wird, empfindet das Sam wie eine Amputation. In einer weiteren Geschichte, »Wie wir uns kennenlernten«, konvertiert ein Butler namens Bug unvorhergesehen zu einer eigenständigen künstlichen Persönlichkeit, die ihre Userin umfassend analysiert und kritisiert.
    Es ist eine besondere Herausforderung in der Science Fiction, die nachmenschlichen Bedingungen zu skizzieren – was bleibt in der Erfahrung gleich, was verändert sich. Marusek hat in der Titelstory ein dichtes Gewebe geschaffen aus Liebesgeschichte und Biografie unter Bedingungen, in denen eine ungeheure Beschleunigung technokultureller Prozesse, ein tiefes Eindringen von miniaturisierten Techniken in den Körper und die Umwelt stattgefunden hat. Marusek beschreibt gewohnte Probleme und vollkommen neue psychische Anforderungen. Meisterlich korrespondiert dabei die Darstellung der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen mit der beschriebenen technologischen Komplexität. Eine solche Mischung ist selten. Sam ist zufrieden mit seinem durch den technischen Fortschritt enorm verlängerten Leben: »Ich hatte mit Erfolg mehrere Karrieren durchlaufen und ein Vermögen angehäuft, das selbst Henry nicht ganz überschauen konnte. Und trotzdem stand ich jeden Tag wieder mit einem Gefühl der Neugier und Abenteuerlust auf.« Marusek zeigt die Ambivalenz der Verhältnisse: Auf der einen Seite geben nanotechnologische Erfindungen viel mehr Lebensmöglichkeiten, auf der anderen Seite schränken sie Freiheiten ein, weil man ständig auf Beeinträchtigungen und Attentate durch aggressive Mikroobjekte gefasst sein und schon auf persönlicher Ebene ihre Abwehr organisieren muss. Das Lebensgefühl ist zugleich neu dimensioniert, aber auch stressbelasteter geworden: Man muss – auch wenn man maschinelle Bewusstseinsunterstützung hat – viel mehr auf die Existenzparameter achten. Man kann sagen, dass Marusek als einer der Ersten eine ausgewogene posthumane Erzählung geschrieben hat, die sowohl positive als auch negative Aspekte umfasst; sie bildet in überarbeiteter Form auch das erste Kapitel seines Romans »Counting Heads« von 2005.
    In seiner Novelle »Das Hochzeitsalbum« findet er einen anderen Ansatz, indem er zwei simulierte Personen zu den Hauptfiguren macht. Als solche existieren sie in virtuellen Szenerien und sind gedacht als gespeicherte Erinnerungen an besondere Momente im Leben ihrer User. Es werden also nicht mehr nur Abbilder, Filme oder Holo-Vids gemacht, sondern es werden »Aufnahmen« der Persönlichkeit in dieser Situation angefertigt – »abgezogen« heißt es in der Geschichte. Diese Sims sollen genauso funktional sein wie ein beliebiges Haushaltsobjekt, entwickeln aber ein Eigenleben. Ein weiblicher Sim denkt darüber nach, wie es ist, nicht sie selbst zu sein, und dass ihre Userin Sims seit ihrem zwölften Lebensjahr anlegt. Die Benutzer haben die Macht, solche virtuellen Personen zu löschen, weil sie ja ihr Eigentum sind, was für Konfliktstoff sorgt. Auch kann es psychisch anstrengend für die Familie werden, wenn die Userin krank wird und körperlich abbaut, ihre nur wenig

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