Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
könnte nun literarisch sehr schnell eintönig werden, doch die Autoren behelfen sich mit einem genialen Kunstgriff: Die Technologie macht zwar stets wahre Aussagen, versieht sie aber erstens nicht mit einem Todesdatum und verpackt sie zweitens manchmal in unklare oder doppeldeutige Formulierungen. Die hinterhältigen Formulierungen können somit auch lauten: »Nicht winkend, sondern ertrinkend«, »Liebe ad nauseam« oder gar »Wärmetod des Universums«.
Es ist ganz erstaunlich, wie die Geschichten aus dieser kargen Ausgangslage nicht nur persönliche Dramen und verblüffende Wendungen erschaffen, sondern soziale Verwerfungen und Subkulturen rund um die Todesgewissheit der Individuen erschaffen. Wenn sich etwa in Schulkantinen oder auf Parties die Menschen freiwillig nach gleicher Todesart gruppieren oder soziale Rankings aufgrund spektakulärer Vorhersagen entstehen, ist das nicht nur Humor von der schwärzesten Sorte, sondern verblüffend oft auch ein mitfühlendes Verstehen der menschlichen Psyche.
Die Spannung der Geschich ten ergibt sich in den meisten Fällen aus drei Fragen: Wie funktioniert diese Maschine? (Dies wird sogar erstaunlich gut erklärt, obwohl es im Grunde völlig unmöglich ist.) Sagt sie die Wahrheit? (Ja.) Und gibt es einen Weg, die Prophezeiung auszutricksen? Besonders Letzteres führt zu einer Kette aberwitziger Versuche – etwa wenn jemand, weil ihm die Maschine Tod durch »Joy« vorhersagt, jahrelang jeglicher Freude aus dem Wege geht, nur um dann eines Tages von einem Auto überfahren zu werden, dessen Fahrerin Joy heißt . Oder wenn ein anderer durch seinen Selbstmord beweisen möchte, dass die Maschine sich irrt – nur um auf unerwartete Weise gerettet zu werden und dann erst recht wie prophezeit zu sterben.
Alles in allem handelt es sich bei »Machine of Death« freilich um keine große oder gar besonders ernsthafte Literatur, doch beim Lesen entwickelt sich eine wohlige Sogkraft, wie sie sonst nur von ausgezeichneten Spannungsromanen erreicht wird. Und seien Sie gewarnt: Sobald Sie glauben zu wissen, nach welchem Muster die Storys gestrickt sind, kommt schon die nächste daher, die Sie eiskalt erwischt.
Uwe Neuhold
WILLIAM H. PATTERSON JR.
ROBERT A. HEINLEIN: IN DIALOGUE WITH HIS CENTURY – VOL. 1: LEARNING CURVE (1907–1948)
Tor Books, New York 2010 · 623 Seiten · $ 19,99
In der Geschichte der Science-Fiction-Literatur nimmt Robert Anson Heinlein zweifellos eine herausragende Stellung ein. Nicht nur hat er jene Phase der US-amerikanischen SF entscheidend mitgeprägt, die gemeinhin als Golden Age bezeichnet wird und die das Selbstverständnis des Genres bis heute bestimmt, er gilt auch als erster SF-Autor, dem es gelang, die Pulp-Magazine hinter sich zu lassen und Geschichten in renommierten Publikumszeitschriften zu veröffentlichen. Mit »Stranger in a Strange Land« schließlich schuf er einen Bestseller, der zum Hippie-Kultbuch avancierte und heute zu den unbestrittenen Klassikern des Genres zählt.
Zugleich war und ist Heinlein ein Autor, an dem sich die Geister scheiden. Diskussionen zum 1959 erschienenen Military-SF-Roman »Starship Troopers« (und Paul Verhoevens Verfilmung von 1997) arten regelmäßig in hitzige Streitereien aus, bei denen fast unweigerlich der Faschismusvorwurf fällt. In den Augen seiner Kritiker erscheint Heinlein als erzkonservativer Macho und Militarist. Tatsächlich ist die Realität komplexer, und obwohl »Starship Troopers« ein erstaunlich dummes Buch ist, zielt der Faschismusvorwurf daneben. Heinlein war kein Faschist, sondern ein typischer Vertreter des Libertarianismus, einer vor allem in den USA populären extremen Spielart des Liberalismus, bei der die Selbstbestimmung des Einzelnen über allem steht. Mit dem traditionellen Links-Rechts-Schema ist diese Ideologie nur schwer zu fassen. Geht es um Fragen der persönlichen Lebensweise – etwa Religion, sexuelle Ausrichtung oder das Recht auf Abtreibung –, nimmt der Libertarianismus typisch linke Positionen ein, rückt dagegen die Rolle des Staates für das Gemeinwesen in den Vordergrund, finden Libertäre oft mit der äußersten Rechten zusammen (wie es sich auch bei der Tea Party zeigt).
Heinlein ist somit zweifellos eine Figur, die reichlich Material für eine lesenswerte Biografie böte. Leider macht William H. Patterson wenig aus dieser vielversprechenden Ausgangslage. Seine autorisierte Biografie weist gleich mehrere Defizite auf. Zum einen nimmt Patterson
Weitere Kostenlose Bücher