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Das sechste Opfer (German Edition)

Das sechste Opfer (German Edition)

Titel: Das sechste Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Johannson
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Stoppeln im Gesicht streichelte, fühlte ich mich unendlich glücklich und frei. Ihr Duft, vermischt mit dem Geruch unserer Körpersäfte, hing in der Luft und wirkte wie ein Anästhetikum, das die Welt da draußen ausblendete. Ich strich über ihren flachen Bauch, der sich wie zarteste Seide anfühlte und wollte einfach nur neben ihr einschlafen und nie wieder woanders aufwachen.
Clara war so süß und sexy, und ich hatte endlich ihrer Verlockung nachgegeben. Wie ein unreifer Junge hatte ich mich in den Strudel der Leidenschaft hineinziehen lassen, ohne zu wissen, was mich an seinem verführerischen Abgrund erwartete.
Unerwartet drang die Realität zurück in mein Bewusstsein, als ein vertrautes Klingeln gedämpft durch die Wand schallte.
Clara hob den Kopf.
»Oh nein.« Ich stöhnte in ihr Kissen. Das Glücksgefühl zerrann wie Sand zwischen den Fingern.
»Dein Telefon?« Ihre Stimme hatte den samtigen Ton verloren. Sie klang jetzt nüchtern und sachlich.
»Ja. Ich muss rangehen.« Ich sprang auf.
»Es ist Nicole?« Ihre Frage war mehr eine Feststellung, und ich nickte dazu.
In Windeseile zog ich meine Sachen an, während Clara mich regungslos beobachtete.
Das Klingeln aus meiner Wohnung schien immer ungeduldiger zu werden. Hastig eilte ich aus dem Schlafzimmer und aus Claras Wohnung, um über den kleinen Gang hinüber in meine Wohnung zu gelangen, die in derselben Etage lag, nur auf der anderen Seite der Treppe. Mit nahezu Überschallgeschwindigkeit war ich schließlich in meinem Wohnzimmer am Telefon. Doch es war zu spät.
Nicole hatte aufgelegt.
Ich legte den Hörer zurück auf die Gabel und stand in der Leere meines Wohnzimmers. Der Raum wirkte einsam und leblos in der Dunkelheit. Eine Uhr tickte monoton in ihrer Ecke, das Wasser der Heizung rauschte kaum hörbar in den Rohren.
Als wäre ich gerade aus einem tiefen Traum erwacht, drehte ich mich einmal um meine Achse und schüttelte den Kopf. Ich hatte es getan. Ich hatte meine Frau betrogen. In dieser Nacht hatte ich mich in den Strudel gestürzt und mich von ihm verschlucken lassen. Doch am Abgrund wartete nichts Süßes und Verführerisches auf mich, sondern das Ende meines Lebens.
Jetzt bin ich Peter Mustermann.
    In dieser Nacht konnte ich die Auswirkungen, die dieses Schäferstündchen mit Clara auf mein Leben haben würde, noch nicht überblicken. Als ich so verloren in meiner Wohnung stand, fühlte ich mich lediglich schuldig. Wie ein kopfloser Hahn rannte ich durch die Zimmer und überlegte, ob ich zurück zu Clara gehen oder mich lieber an meinen Computer setzen sollte.
Doch ich entschied mich anders. Ich legte mich ins Bett, um zu schlafen.
Das war allerdings ein vergebliches Unterfangen. Meine Gedanken kreisten immer wieder um Clara. Um ihren Duft, ihren weichen Körper, ihre Zärtlichkeiten und um die Konsequenzen, die diese Nacht auf meine Ehe haben würde.
Dass diese Liebesnacht mir alles nehmen konnte, was mein Leben ausmachte, daran dachte ich nicht. Wieso sollte ich auch?
    Jetzt bin ich Peter Mustermann.
Und diese Zeilen sind ist meine Lebensversicherung.
     

Die Rückkehr
    Nach einer Stunde Schlaflosigkeit gab ich schließlich auf. Hellwach und immer noch völlig berauscht von meinem Erlebnis mit Clara stand ich auf und ging in die Küche. Aus dem Kühlschrank nahm ich einen Energy-Drink, den ich sofort trank. Mein Blick fiel aus dem offenen Fenster auf die schlafende Stadt. Die Straßen in dieser Gegend Berlins lagen leer und still, als lebten hier keine Menschen, die liebten, litten und Fehler machten. Es war so ruhig, dass ich in der Ferne das Knarren einer Fahnenstange hören konnte. In dieser Gegend gingen die Menschen früh zu Bett und kamen vor dem Morgen nicht wieder aus ihren Häusern heraus. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße standen alte, verrottende Betriebe, die vor Jahrzehnten einmal Bedeutung gehabt hatten, aber seit ihrem Tod nach der Wende langsam zerfielen. Der Geruch von Fäulnis und Verwesung, der von ihnen ausging, verbreitete ein Gefühl von Vergänglichkeit und Tod. Die vom Unkraut überwucherten Bahnschienen endeten im Nichts. Die Stille der leeren und verbarrikadierten Häuser, in denen Bäume wuchsen und Fasane ihre Nester bauten, schien einer anderen Welt anzugehören. Einer vergessenen Welt, in der sich die Natur zurückholte, was einst ihr gehörte.
Aber ich mochte den morbiden Charme dieser Gegend. Das war ein Grund gewesen, warum ich diese Wohnung unbedingt haben wollte, als der Makler sie mir

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