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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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um ihre Schulter und führt sie durch das Kirchenschiff zum Westtor. »Du hast deinen Bruder nicht umgebracht! Du musst keine Schuld empfinden. – Was ist es, das dich freut? Sein Tod oder die Aufmerksamkeit, die du nun wieder genießt?«
    »Ihr lest in mir, wie in einem offenen Buch«, seufzt das Ritterfräulein und tritt neben ihm auf den sonnigen Platz hinaus. Sie blinzelt und lächelt dann ihren Begleiter an. »Sprechen wir von etwas anderem. Wie steht es um den Fortschritt Eurer Reformen?«
    Der Stiftsherr schnaubt entrüstet. »Schlecht steht es, ganz schauderhaft schlecht. Es war schon früher ein elendiges Ringen, die große Begräbnishalle in einen Kreuzgang umzubauen –
wer weiß, wann der Westflügel jemals fertig wird – na, und den Südflügel mit dem neuen Kirchenschiff sparen sie sich jetzt ganz!« Wieder gibt er einen Laut der Missbilligung von sich. Entspannt geht Juliana mit ihm über den Platz. Die frühlingsgrünen Linden werfen ihr Schattenspiel auf den Boden, das, vom Wind bewegt, immer neue Formen annimmt. Es tut ihr wohl, seinen Kümmernissen zu lauschen und nicht über ihre eigenen nachdenken zu müssen.
    »Es ist nicht nur dieses ständige Sparen«, fährt der Dekan fort. »Noch immer ist der Ostflügel nicht überwölbt, und langsam glaube ich nicht mehr daran, dass er das jemals sein wird. Es ist die Einstellung der Mitbrüder, die mir die Zornesröte ins Gesicht treibt. Sie wollen Stiftsherren von St. Peter sein, aber wie die Ritter in schönen Steinhäusern leben. Die Überlegung, die Räume über dem Kreuzgang zu einem Dormitorium und einem Refektorium auszubauen, wird jedes Mal schnell vom Tisch gewischt. Sie wollen nicht mit den anderen Herren zusammenleben. Um Himmels willen, nicht so viel Gemeinschaft! Es genügt ihnen, wenn es gerade passt – ein Stundengebet gemeinsam zu sprechen.«
    Sie gehen auf sein prächtiges Haus zu. Juliana lässt den Blick an den doppelbogigen Fenstern emporschweifen. »Würdet Ihr die Bequemlichkeit Eures Hauses nicht vermissen? Das weiche Lager, das Essen aus eigener Küche?«
    Gerold von Hauenstein seufzt tief und streicht sich über den Leib, der mit den Jahren ein wenig fülliger geworden scheint. »Oh ja, ich würde es sehr vermissen. Komm, wir wollen sehen, was die neue Magd gekocht hat. Mein Schüler scheint da leider ein schwieriger Fall, aber man soll die Hoffnung niemals aufgeben. Vielleicht kann sie ihm etwas beibringen.« Er leckt sich über die Lippen. »Ich glaube, es gibt Pastete mit Pilzen und Wildschweinschinken.«
    Juliana folgt ihm die Treppe hinauf in das von geschnitzten Hölzern ausgekleidete Speisezimmer. Der Dekan schenkt ihr Met ein und nimmt sich einen schweren Wein. Er setzt sich in
seinen gepolsterten Scherenstuhl und sieht der Magd zu, die Brot und Pastete, Schinken und eingelegten Fisch serviert.
    »Ja, es würde mir sehr schwer fallen«, sagt er, als die Magd die Tür hinter sich geschlossen hat. »Doch wir haben unser Leben nicht vorrangig dem Bischof und dem Geld, das wir für ihn einziehen, gewidmet, sondern Gott dem Herrn.« Er spießt ein großes Stück Schinken auf die Spitze seines Messers. »Und der Herr verlangt Entbehrung von uns«, sagt er mit vollem Mund.
    Juliana unterdrückt ein Kichern und nickt.

    Als sie am späten Nachmittag in Begleitung des Knappen Tilmann in die Bergstadt zurückkehrt, erwartet sie eine unliebsame Überraschung. Sie hat ihre Stute in Tilmanns Obhut im Stall an der Stadtmauer zurückgelassen und ist dann allein weitergegangen. Solange es hell ist, wird die Mutter keine Einwände erheben, wenn sie in der Stadt die wenigen Schritte ohne Begleitung unterwegs ist. Das Mädchen überquert den Marktplatz, den Blick auf den Boden und ihren hellblauen Rocksaum gerichtet, den sie sich nicht mit Mist und verfaultem Gemüse verderben will, als eine Stimme sie anspricht.
    »Das Glück ist mir doch noch hold. Ich habe schon vergeblich an die Tür Eures Hauses geklopft und musste mir sagen lassen, Ihr wärt in der Talstadt.«
    Sie blickt rechtzeitig auf, um zu sehen, wie sich der junge Kochendorfer verbeugt.
    »Ich begrüße Euch, liebste Juliana.«
    »Ritter Wilhelm, ich wusste nicht, dass wir eine solch enge Beziehung pflegen, dass Ihr mich »liebste Juliana« nennen dürftet!« , gibt sie kühl zurück.
    »Nun seid nicht kratzbürstig. Ich sage auch gerne Jungfrau von Ehrenberg zu Euch, wenn Ihr dafür mit mir ein wenig Honiggebäck esst.« Er deutet auf den Bäckergesellen, der gerade
mit

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