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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Leichenrede auf den armen kleinen Johannes halten.« Er schnauft davon, eine Schneise zwischen den Kirchgängern zurücklassend. Die Glocken verhindern, dass Juliana ihre Meinung über den Hausgeistlichen von Ehrenberg loswerden kann. Am Arm des Dekans betritt sie die Kirche.

    Ritter von Ehrenberg und sein Weib stehen am Tor und verabschieden sich von den Gläubigen, die zur Seelenmesse des Kindes gekommen sind. Die Edelfrau bleibt stumm, während der Ritter immer die gleichen Worte des Dankes murmelt. Neben seinen Burgmannen sind die Bauern und Handwerker aus der Umgebung von Heinsheim gekommen. Im Gegensatz zu den Junkern des Neckartals sind die einfachen Leute mit ihren Familien hier, um den Ehrenbergern ihre Aufwartung zu machen und ihr Mitgefühl auszudrücken. Juliana steht ein wenig abseits und lässt die Menschen an sich vorüberziehen. Sie hängt ihren Gedanken nach und sieht zu Boden. Die Worte rauschen ungehört an ihr vorbei, bis Konrad von Weinsberg auf die trauernden Eltern zutritt.
    Warum ist er gekommen? Juliana beobachtet ihn unter den halb gesenkten Lidern. Er verbeugt sich artig vor der Edelfrau und wendet sich dann an den Vater.
    »Vielleicht lindert es Eure Trauer ein wenig, wenn ich Euch sage, dass ich Eurem Ansinnen nun offener entgegensehe?«
    Kraft von Ehrenberg schnappt nach Luft. Ihm fehlen die Worte. Auch Juliana ist erstarrt. Hat der Weinsberger seine Hand
mit im Spiel – oder gar sein Sohn Carl? War er es, der den Bruder in den Waschkessel drückte, bis das Leben aus dem kleinen Körper wich? Sie verspürt Übelkeit. Wird sie vielleicht das Weib eines Mörders? Des Mörders ihres eigenen Bruders?
    »Es ist weder der Ort noch die Zeit, über solche Dinge nachzudenken« , zischt der Ehrenberger. Der Weinsberger zuckt mit den Schultern.
    »Eure Trauer in Ehren, Ritter Kraft, aber damit macht Ihr das Kind nicht wieder lebendig. Es war Gottes Wille, ihn zu sich zu nehmen.«
    Gottes Wille oder der Eure?, denkt Juliana erbost.
    »Schaut vorwärts! Ihr habt eine schöne und begehrenswerte Tochter, auf die Ihr nun Euer Augenmerk richten solltet.« Mit einem Kopfnicken wendet er sich ab und steigt die Stufen vom Kirchhof hinab zu seinem Pferd, das sein Waffenknecht an den Zügeln hält.
    Juliana spürt, wie der Blick des Vaters zu ihr wandert. Aus Furcht, in ihrem Gesicht könnte zu lesen sein, dass sie das Gespräch mit angehört hat, wendet sie sich ab.
    Begehrenswert, denkt sie und schnaubt vor Wut. Ja, sie weiß genau, wie der Weinsberger das gemeint hat. Weder Schönheit noch Klugheit noch Anmut sind ihm wichtig, allein der Tod des Erben erhöht ihren Wert.

    Anscheinend fallen die Worte des Weinsbergers auf fruchtbaren Boden. Aus welchen Grund auch immer, Kraft von Ehrenberg wendet sich wieder seiner Tochter zu, die er vor Johannes’ Geburt so vergöttert und verwöhnt hat. Während die Edelfrau sich wochenlang in die Stille ihrer Kammer zurückzieht, sucht der Vater Julianas Gesellschaft und schenkt ihr wieder diesen Blick, den er lange Zeit für seinen Sohn reserviert hatte. Er spricht mit ihr, er reitet mit ihr aus, und er lacht wieder mit ihr. Manchmal huscht der Gedanke durch ihren Sinn, dass Johannes’
Tod ihr Segen ist. Sogleich durchfluten sie Scham und Gefühle der Schuld, und doch kann sie nicht verhindern, dass sie die Wandlung des Vaters genießt.
    Im Mai siedelt die Familie in das Stadthaus nach Wimpfen um. »Ich bete, dass sie dort ihren Trübsinn vergessen wird«, vertraut Kraft von Ehrenberg seiner Tochter an und wirft seinem Weib einen düsteren Blick zu. »Ich möchte deine Mutter gern wieder einmal ohne verweinte Augen antreffen.«
    Juliana nickt, und wieder fühlt sie sich schuldig, dass sie nicht an der Mutter Seite um den Bruder weint. Ist sie tief in ihrem Innern froh, dass der Bruder tot ist? Hat sie auf Burg Guttenberg – wenn auch unbewusst – den Stein ins Rollen gebracht? Hat sie eine Sünde auf ihre Seele geladen?
    »Ich bin ein schlechter Mensch«, beichtet sie dem Dekan, als sie ihn ein paar Tage nach dem Umzug in St. Peter besucht.
    »Warum denkst du das? Weil du nicht von Verzweiflung ergriffen wirst wie die Mutter? Weil sie weint und du nicht? Jeder von uns trauert anders. Da gibt es kein Richtig und Falsch, kein Besser oder Schlechter.«
    »Und wenn ich gar nicht trauere? Wenn ich gar manches Mal Erleichterung fühle oder mich freue? Dann kommt es mir vor, als habe ich ihn mit meinen eigenen Händen getötet.«
    Gerold von Hauenstein legt den Arm

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