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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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sieht nur stumm auf den toten Körper seines Sohnes herab, der seine letzte Hoffnung auf einen Stammhalter gewesen ist.
    »Wie ist er zum Rand des Wasserkessels hinaufgekommen?« , flüstert eine Magd hinter Juliana. Diese hebt stumm den Arm und zeigt auf einen umgestülpten Eimer. Dort könnte er hinaufgeklettert sein. Oder er soll den Eindruck erwecken, dass es sich so zugetragen hat.
    Juliana sucht den Blick des Dekans. Sie sieht ihren Verdacht in seinem Gesicht gespiegelt. Auch er scheint sich zu fragen: Wäre jemand dazu fähig, sich an einem Kind zu vergreifen und es kaltblütig im Wäschetrog zu ertränken? Wenn ja, dann muss er hier in diesem Raum sein. Juliana spürt, wie das Gefühl aus ihren Beinen weicht, die Gesichter um sie herum verschwimmen. Sie merkt noch, wie sie fällt, den Aufschlag kann sie schon nicht mehr fühlen.

    Niemals hat auf Burg Ehrenberg nach dem Fest der Auferstehung eine solch düstere Stimmung geherrscht. Es ist doch die Zeit der Freude und der Hoffnung, die Zeit, da der Frühling erwacht und alles grünt und sprießt.
    »Es ist keine Zeit zu sterben«, sagt die Köchin leise zum Küchenmädchen und sieht sich furchtsam um, doch die Edelfrau hat sich schon wieder in ihre Kemenate zurückgezogen. Man sieht sie in den Tagen kaum durch die Burg gehen und nach dem Rechten sehen, wie sie es stets mit großer Sorgfalt getan hat. Kaum einer der Bewohner wagt es, die Stimme zu erheben oder gar laut zu lachen. Es ist, als habe sich ein Leichentuch über ganz Ehrenberg gesenkt.
    Drei Tage nach Ostern wird Johannes im Hof der Bergkirche bestattet. Die Beerdingungsgesellschaft ist nicht groß. Kinder werden geboren und sterben in jungen Jahren. Erst wenn sie alt genug sind, ihre Pflichten als Erwachsene zu erfüllen und in das Spiel um Macht und Besitz eingebunden werden, nehmen die anderen adeligen Familien sie wahr. Dann wären sicher auch die von Gemmingen gekommen, die von Neipperg, von Helmstadt und von Hornberg.
    Überraschenderweise entdeckt Juliana Konrad von Weinsberg unter den Gästen – und leider auch Wilhelm von Kochendorf.
    »Was will der hier?«, murrt das Mädchen.
    Dekan von Hauenstein schüttelt den Kopf. »Nicht so feindselig! Er ist gekommen, um mit uns um deinen Bruder zu trauern.« Der Kirchenmann streicht sich das dichte graue Haar aus den Augen, das der warme Frühlingswind verweht hat, und drückt sich den Hut fester auf den Kopf.
    »Pah, das könnt Ihr nicht ernsthaft glauben, Pater. Versucht einmal, wie ein normaler Mensch zu denken und nicht wie ein Stiftsherr!« Vorwurfsvoll sieht Juliana ihn an. Der Dekan räuspert sich, obwohl es eher wie ein unterdrücktes Lachen klingt.
    »Gut, ich versuche wie ein ›normaler‹ Mensch zu denken. Zu welchem Schluss müsste ich deiner Meinung nach kommen?«
    »Dass er hier ist, um seine Chancen abzuschätzen, um dem Vater um den Bart zu gehen oder einfach, um sich an unserer Trauer zu weiden!«
    »Hältst du ihn nicht einer menschlich guten Regung für fähig?«, erkundigt sich der Dekan interessiert.
    »Nein!«, zischt das Mädchen. »Und wagt ja nicht, über mich zu lachen!«
    »Ich bin ganz ernst«, versichert der väterliche Freund. »In mir ist nur der Verdacht, dass du dich in eine Abneigung hineingesteigert hast, die dir den klaren Blick trübt.«
    »Ich sehe völlig klar«, faucht Juliana. »Ich weiß nur noch nicht genau, was mir meine Augen zeigen: einen Aasgeier oder einen Mörder?«
    Gerold von Hauenstein zieht scharf die Luft ein und öffnet den Mund, um etwas zu erwidern. In diesem Augenblick watschelt Pater Vitus von Gemmingen heran und drückt ihm die Hand. Sein feistes Gesicht ist wie immer gerötet und glänzt vor Schweiß.
    »Ach, verehrter Dekan, wer hätte gedacht, dass wir uns an diesem Ort so schnell wiedersehen und dann auch noch zu einem solch traurigen Ereignis. Die Edelfrau ist untröstlich, und auch den Ritter habe ich nie derart durcheinander erlebt.« Er nickt, dass sein Kinn sich in mehrere Falten legt und die Wangen in Schwingung geraten. »Sie wird keine Kinder mehr
gebären, das ist sicher. Die einzige Möglichkeit, die dem Ritter noch bleibt, ist – sollte die Edelfrau sterben – sich ein jüngeres Weib zu nehmen. Nicht dass ich meiner geliebten Cousine einen frühen Tod wünschen würde«, fügt er hastig hinzu, als er in Julianas zorniges Gesicht sieht. Er verbeugt sich, obwohl ihm das mit seinem massigen Körper sichtlich schwer fällt.
    »Verzeiht, ich muss hinein. Ich werde eine

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