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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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einem Bauchladen voller ofenwarmer Köstlichkeiten über den Platz auf sie zukommt. Das Mädchen zögert. Der Duft ist verlockend.
    »Danke, ich habe bereits mit dem Dekan gespeist und verspüre keinen Hunger.«
    Wilhelm von Kochendorf lacht. »Seit wann braucht man Hunger, um Süßigkeiten zu essen? Und das ausgerechnet aus Eurem Mund? Nein Jungfrau, das nehme ich Euch nicht ab. Ich erkenne die Zurückweisung hiermit an! Also, darf es trotzdem etwas sein? Entscheidet Euch, bevor der Bäcker die Salzgasse erreicht.«
    »Nun gut, einen Honigkringel und einen Safrantaler«, sagt das Mädchen schnell. Der Ritter grinst. »Das klingt schon viel besser!«
    Am liebsten würde sie die Gebäckstücke nehmen und ihm dann den Rücken kehren, doch so unhöflich zu sein, traut sie sich nicht. Anderseits will sie ihn nicht weiter ermutigen. Daher bleibt sie stehen und beginnt schweigend, die Gebäckstücke zu essen.
    »Fangen wir ein harmloses Gespräch an?«, schlägt der Ritter vor. »Was habt Ihr in der Talstadt gemacht? Euren Freund den Dekan besucht?«
    »Ja, wir haben weiter im Rolandslied gelesen.« Sie kann es nicht verhindern, dass ihre Stimme angriffslustig klingt.
    »Im Rolandslied?«, wiederholt der Ritter verdutzt.
    »Ja, die Geschichte des Helden Roland, der mit Karl dem Großen nach Hispanien zog, um die Sarazenen zu vertreiben und das alte christliche Land zurückzuerobern. Der Held wird bei einem Hinterhalt in den Pyrenäen getötet.«
    »Aha«, sagt Wilhelm lahm und sieht sie mit gerunzelter Stirn an. »Und warum lest Ihr das? Das ist doch eine ganz alte Geschichte.«
    »Die Troubadoure singen noch heute davon!«, gibt sie zurück.
    »Ja, schon, ich habe ja auch nicht gesagt, dass man sich das
nicht anhören soll, wenn ein fahrender Sänger auf der Durchreise ist, aber lesen? Gar in Latein oder Französisch?«
    »Französisch! Der Dekan und ich lesen die Verse im Wechsel oder sprechen sie auswendig, soweit wir uns ihrer erinnern.«
    Nun mustert der Ritter das Mädchen, als habe es etwas Ungehöriges gesagt. »Wozu soll das gut sein? Ich meine, warum nehmt Ihr diese Anstrengung auf Euch? Genügt es Euch nicht, Euer Gebetbüchlein lesen zu können?«
    »Nein, das genügt mir nicht!«, faucht sie. »Es ist eine Erfüllung für Seele und Geist, Bücher zu lesen!«
    Darüber muss der Ritter von Kochendorf erst einmal nachdenken. Er isst seinen dritten Kringel und wischt sich die fettigen Hände an seinem Rock ab.
    »Ich dachte, so etwas würden nur Mönche und Nonnen tun – wenn auch eher Märtyrergeschichten als Heldensagen.« Er schüttelt den Kopf, als könne er es immer noch nicht fassen.
    »Ich danke Euch für die Süßigkeiten und wünsche einen sicheren Heimweg«, unterbricht das Mädchen seine Gedanken.
    »Ach Juliana, gebt Ihr Euren Widerstand denn niemals auf? Hartnäckigkeit ist für ein Weib keine Tugend!«
    »Nun, dann könnt Ihr ja froh sein, dass Ihr Euch nicht mit mir abgeben müsst«, schnappt sie.
    Wilhelm verdreht die Augen. »Ja, das sollte ich wirklich sein, aber – ob Ihr es glaubt oder nicht – ich möchte noch immer Eure Gunst gewinnen und die Eures Vaters.«
    Sie stemmt die Hände in die Hüften und kneift die Augen zusammen. »O ja, das glaube ich Euch. Burg Ehrenberg ist Euch ans Herz gewachsen, nicht? Ihr habt mir ja selbst gesagt, dass eine Verbindung mit mir nicht erstrebenswert ist, solange mein Bruder lebt. Habt Ihr das Hindernis nun erfolgreich aus dem Weg geräumt?«
    »Ihr denkt doch nicht etwa, ich hätte Euren Bruder ertränkt, um den Erben zu beseitigen?«
    »Wie entrüstet Eure Stimme klingen kann. Aber bemüht Euch nicht, denn ich schenke Euch keinen Glauben!« Sie wendet sich ab. Er greift nach ihrem Arm, bekommt aber nur den Stoff ihres weiten Ärmels zu fassen.
    »Juliana, ich habe Eurem Bruder nichts angetan. Das Bild des Schreckens hat sich tief in meine Erinnerung geprägt: der riesige Kessel mit der Wäsche und dann diese Kinderbeine mit den kleinen Füßen, die daraus hervorragen.« Er schüttelt sich. »Wer sagt Euch, dass es kein Unfall war? Er war ein neugieriger Kerl.«
    Etwas regt sich in ihr, aber sie kann es nicht fassen. Es ist wie eine Gräte, die im Hals stecken bleibt, den Schlund ritzt und noch lange, nachdem man sie entfernt hat, einen beim Schlucken schmerzt. So peinigen das Mädchen seine Worte, obwohl sie längst gesprochen und verhallt sind. Was ist es nur, das sich so hartnäckig gegen das Vergessen wehrt? Widerwillig lässt sie es zu, dass die

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