Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
gedacht hat, doch sie geht nicht weiter darauf ein.
»Pass auf. Ich will auch nicht, dass du unser Gespräch hörst, aber ich möchte, dass du hier bei den Pferden bleibst – so dass dich der Ritter sehen kann. Das wird ihn hoffentlich dazu bringen, sich nach Anstand und Sitte zu benehmen!«
Tilmann verzichtet, das Ritterfräulein darauf hinzuweisen, dass sie es ist, die gerade gegen Anstand und Sitte verstößt. Stattdessen umrundet er die Scheune und geht zum Tor, um den Sohn des Hauses zu suchen.
Ruhelos geht Juliana auf und ab und brütet darüber nach, welche Worte sie wählen soll, um Wilhelm aus der Deckung zu locken. Es kommt ihr wie eine Ewigkeit vor, bis Tilmann mit dem jungen Kochendorfer im Schlepptau endlich um die Ecke der Scheune biegt und über die Wiese auf sie zukommt.
»Ich wollte Eurem Knappen nicht glauben«, begrüßt sie der junge Ritter und verbeugt sich. »Doch wenn mich meine Sinne nicht täuschen, dann seid Ihr es in Fleisch und Blut. Kann ich wirklich hoffen?«
Juliana weicht zur Scheunenwand zurück, bis Tilmann sie nicht mehr hören kann. »Es ist mir gleich, ob Ihr Euch falscher Hoffnung hingebt. Ich bin heute jedenfalls nur aus dem einen Grund gekommen: Ich möchte ein paar Antworten von Euch hören!«
Er lächelt. »Gern, wenn Ihr die richtigen Fragen stellt.« Wilhelm geht auf die Scheunentür zu. »Wollen wir nicht hineingehen? Dort sind wir ungestört.«
Juliana sieht ihn verächtlich an. »Für wie einfältig haltet Ihr mich? Ich bleibe hier, wo mein Knappe mich und vor allem Euch sehen kann. Also benehmt Euch!«
Wilhelm verdreht die Augen. »Soll ich mich nun vor einem Kind fürchten?«
»Nein, aber vor meinen Fragen, die Eure Heuchelei und Eure Lügen entlarven!«, erwidert sie scharf.
Wilhelm von Kochendorf runzelt die Stirn. »Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr sprecht.«
Juliana versucht sich an einem überheblichen Blick, obwohl ihr das Herz bis zum Halse schlägt. Wenn sie sich nicht irrt, dann steht sie einem kaltblütigen Mörder gegenüber! Sie mustert ihn vom Kopf bis zu den Füßen.
»Eure Worte gehen mir nicht mehr aus dem Sinn. Ihr spracht davon, wie sich das Bild des Schreckens in Euer Gedächtnis eingebrannt hat. Die Kinderbeine mit den weißen Füßen, die aus dem Wäschekessel ragen.« Sie sieht ihn aufmerksam an.
»Ja, das sagte ich, als ich Euch in Wimpfen traf. Ich erinnere mich. Und ich schwor Euch auch, dass ich mit Johannes’ Tod nichts zu tun habe.« Er sieht sie verständnislos an. Ihm scheint noch nicht klar zu sein, dass er sich verraten hat.
»Wie gut, dass Ihr Euch erinnert. Ich erinnere mich auch, und zwar sehr genau, an den Abend, als wir Johannes fanden.« Sie schluckt. »Sagt mir, Wilhelm von Kochendorf, wie könnt Ihr Euch an dies Bild erinnern, wenn der Dekan Johannes’ Körper bereits aus dem Kessel gezogen hatte, ehe Ihr vom Bergfried heruntergekommen und in die Waschkammer getreten seid?« Sie sieht ihn scharf an. Es dauert ein paar Augenblicke, ehe er ihre Worte begreift, dann werden seine Wangen blass.
»Ich habe ihn nicht ermordet«, stößt Wilhelm hervor. Spott und Blasiertheit sind aus seiner Stimme gewichen, in seiner Miene steht Entsetzen.
»Das könnt Ihr dem Landvogt erzählen«, zischt das Mädchen.
»Ihr wollt mich anklagen?«, ruft der Kochendorfer. »Das könnt Ihr nicht tun. Ich schwöre Euch!« Er fällt auf die Knie und greift nach ihrem Arm. Juliana reißt sich los und weicht zurück.
»Fasst mich nicht an, Mörder! Wie konntet Ihr das tun? Ein unschuldiges Kind. Ist Eure Gier nach Macht und Gütern so groß?« Ihre Stimme zittert vor Abscheu.
Wilhelm stemmt sich hoch. »Bitte, hört mich an. Ich kann es erklären.«
»Was muss man da noch erklären?«, stößt sie bitter hervor.
»Ich habe ihn gesehen, das ist wahr, aber da war er schon tot!«
»Und das soll ich Euch glauben?«
Wilhelm nickt und sieht sie flehend an. »Ja, denn es ist die Wahrheit. Euer Vater hat mich aus dem Palas gejagt. Ich war wütend und ging über den Hof, als ich Vater und Sohn von Weinsberg auf mich zukommen sah. Die beiden schienen in ein ernsthaftes Gespräch vertieft. Ich stand vor einer angelehnten Tür, von der es nach Lauge und nassem Leinen roch, und da ich die Weinsberger nicht treffen wollte, schlüpfte ich ins Waschhaus. Nun, ich hoffte auch, etwas von ihrem Gespräch belauschen zu können. Ich weiß, dass es zwischen Ehrenberg und Weinsberg ein unrühmliches Geheimnis gibt, und brenne schon lange darauf, ihm auf
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