Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Gedanken. Sie muss ihn zur Rede stellen! Fast eine Woche ist die Familie nun bereits aus Wimpfen zurück, doch Wilhelm hat sich bisher nicht auf Ehrenberg blicken lassen. Es ist zum Verzweifeln. Sonst, wenn sie ihn weit weg wünscht, schwänzelt er ständig um sie herum, und nun, da sie ihn unbedingt sprechen muss, sieht und hört sie nichts von ihm.
Die Kinderfrau erhebt sich und geht hinaus, um den Wasserkrug zu füllen. Juliana lauscht ihrem schweren Schritt auf der Treppe. Sie hört die Mutter, die sicher schon fertig angekleidet
ist und nun in der Halle die Mägde beaufsichtigt, die den Tisch säubern und frische Binsen ausbringen müssen.
Vielleicht steckt eine Absicht dahinter, dass sich Wilhelm von ihr fern hält? Ist ihm der Fehler in seinen Worten aufgefallen, und meidet er sie nun, bis – ja bis sie alles vergessen hat?
»Da kann er lange warten«, faucht das Ritterfräulein und wirft die Decke von sich. »Ich habe ein gutes Gedächtnis!« Nun, wenn der Kochendorfer nicht zu ihr kommen will, dann wird sie eben zu ihm gehen und ihn zur Rede stellen!
Während Gerda sie ankleidet, überlegt Juliana, wie sie ihren Plan am geschicktesten in die Tat umsetzen kann. Sie wartet bis nach dem Frühmahl. Vater will heute mit einigen seiner Burgmannen zu den Deutschordensrittern nach Horneck hinüber. Gut. Er wird eine Weile weg sein. Sie sieht den Männern nach, wie sie durch das Tor reiten. Der Knappe ist nicht dabei. Dann wird er das Edelfräulein begleiten müssen. Juliana findet Tilmann im oberen Stall bei den Falken und befiehlt ihm, ihre Stute und sein Ross zu satteln.
»Wir reiten aus«, sagt sie knapp. Der Knappe sieht sie mit einer Mischung aus Freude und Zweifel an.
»Hat der Ritter das erlaubt? Mir hat er gar nichts gesagt, als ich ihm vor wenigen Augenblicken sein Streitross brachte.« Tilmann sieht es in ihrer Miene, dass sie den Vater nicht um Erlaubnis gebeten hat.
»Ich sattle gern die Pferde, aber Ihr fragt die Edelfrau«, sagt der Bursche. »Bitte«, fügt er hinzu, denn er kennt Julianas störrische Natur. »Ich bekomme sonst Ärger.«
»Na gut«, gibt das Mädchen nach und eilt in den Palas zurück. Sie ist schon öfter mit dem Knappen ausgeritten, doch sie weiß, dass die Mutter es stets mit ein wenig Sorge sieht. Dieses Mal muss sie es ihr einfach erlauben! Juliana wird ihr versprechen, in der Nähe der Burg zu bleiben und noch vor dem Mittagsläuten zurück zu sein. Mit klopfendem Herzen tritt sie in den Saal.
»Mutter hat nichts dagegen!«, ruft sie Tilmann zu, als sie
wenig später mit gerafftem Reitkleid über den Hof eilt. Nun strahlt der Knappe, denn auch er liebt es, im Galopp über die Felder zu jagen. Und das Fräulein ist für seine Querfeldeinritte bekannt!
Er folgt Juliana in die Aue hinunter und dann am Neckar entlang nach Norden. Er wundert sich nicht, als sie den Hang wieder erklimmt, auf dessen Kante Guttenberg aufragt. Erst als sie dem Weg an den Holzhütten entlang folgt, der zur Zugbrücke führt, schließt er auf und fragt, was sie vorhat.
»Gedulde dich, ich werde dir deinen Part schon beizeiten mitteilen.«
Misstrauen breitet sich über dem Antlitz des Knappen aus. »Ihr habt eine Teufelei vor, ich ahnte bereits im Hof so etwas. Ich kann es Euch ansehen!«
Juliana umreitet eine Scheune und zügelt die Stute. »Ach was«, winkt sie ab. »Komm her, und hilf mir aus dem Sattel.«
Tilmann seufzt, aber er traut sich nicht, sich ihren Befehlen zu widersetzen. Er gleitet von seinem kräftigen Ross, schlingt die Zügel um die niedrigen Zweige eines Apfelbaumes und hilft dann dem Fräulein von seinem Pferd.
»Und nun?«, fragt Tilmann, als er die Stute neben seinem Tier anbindet. »Was habt Ihr vor? Ihr seid sicher noch nicht so müde, dass Ihr einer Rast bedürft!«
Sie schüttelt den Kopf, dass die Zöpfe fliegen. »Nein, das hast du richtig erkannt. Ich möchte, dass du in die Burg gehst und Ritter Wilhelm aufsuchst. Und dann bringst du ihn hierher.«
Der Blick, den er dem Fräulein zuwirft, schwankt zwischen Unglaube und Verachtung. »Ich dachte, Ihr mögt ihn nicht!«
»Ich verabscheue ihn!«, bestätigt das Mädchen. »Sieh mich nicht so an, als wäre ich zu einem unkeuschen Stelldichein mit ihm bereit! Ich muss dringend mit ihm sprechen – ohne dass jemand aus seiner Familie oder vom Gesinde zuhört.«
Erleichterung breitet sich auf Tilmanns Gesicht aus. »Ich habe
schon befürchtet…« Er spricht die Worte nicht aus, aber Juliana weiß auch so, was er
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