Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Straßenräuber vorgehen sehen.«
»Nun ist es aber Zeit für Euer Essen«, fiel es Tereysa ein. »Legt Euch wieder hin. Unser Bruder Infirmarius sagt, Ihr müsst still liegen und ruhen.« Geschäftig eilte sie hinaus und ließ Juliana mit ihren wirren Gedanken in der kleinen Kammer zurück.
Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis sich endlich wieder eine menschliche Seele blicken ließ. Juliana hatte ihre Gemüsesuppe gegessen und einen Becher warmer Ziegenmilch getrunken, dann blieb ihr nur noch zu warten und zu grübeln. Es verlangte sie, Wolf zu sehen und mit ihm zu sprechen. Sie musste ihn berühren, um endlich glauben zu können, dass er es war, der hier an diesem einsamen Ort in den Bergen plötzlich wieder in ihr Leben zurückgekehrt war.
Wo war er? Warum kam er nicht zu ihr? Ihn rufen zu lassen wagte sie nicht, solange sie nicht wusste, wer von ihrer Anwesenheit und vor allem über ihre Identität Bescheid wusste. Endlich öffnete sich die Tür, und Wolf trat in Begleitung eines groß gewachsenen, älteren Templers ein, der offensichtlich der von Tereysa erwähnte Infirmarius war. Er tastete Julianas Kopf ab und sah ihr in die Augen. Wolf übersetzte seine Fragen, dann nickte er, gab noch ein paar kurze Anweisungen und verschwand mit einer knappen Verbeugung.
»Was sagt er?«, wollte Juliana wissen.
Wolf blieb unschlüssig in der Mitte der kleinen Kammer stehen. »Dass Ihr keinen Schaden genommen habt.« Das Mädchen brummte und griff sich an den schmerzenden Schädel. »Nun, keinen schwerwiegenden. Dass es eine Weile wehtun wird, ist normal, wenn man solch einen Schlag abbekommen hat.« Er sah sie an, als könne auch er noch nicht glauben, dass er kein Trugbild vor sich hatte.
»Dass ich dich – verzeiht, ich meine Euch, hier wiedersehe! Es kommt mir wie ein Traum vor.«
»Wolf«, sie streckte beide Hände nach ihm aus. »Setz dich. Waren wir nicht eine Ewigkeit Freunde und Vertraute? Müssen die Jahre der Trennung zwischen uns stehen? Sag nicht Fräulein zu mir, ich bitte dich, das klingt so fremd aus deinem Mund.«
Er lächelte. »Nun, mein ›wilder Waldkobold‹ kann ich wohl kaum noch zu dir sagen und auch nicht ›Zornteufel‹ oder ›Brombeerenfee‹ – zumal ich nicht weiß, ob du immer noch
bereit bist, dir für diese Früchte Arme und Beine blutig kratzen zu lassen.«
Juliana lächelte zurück. »Nein, die Mutter würde mich strafend ins Gebet nehmen.«
Wolf kam näher und setzte sich am Fußende auf die Bettdecke. »Ach, hat sie das früher nicht getan?«
»Doch, aber damals hat es mich nicht gekümmert.«
»Du hörst inzwischen auf das, was Mutter und Vater sagen? So sehr hast du dich verändert? Das kann ich kaum glauben«, neckte der Freund aus Kindertagen. Sie sahen einander an, in Gedanken in der Vergangenheit versunken, bis Juliana errötend den Blick senkte.
»Ja, ich habe mich verändert. Ich bin erwachsen geworden.«
»Bist du sicher? Wann ist das geschehen?« Wolf versuchte, den Plauderton zu erhalten, doch die Stimmung war getrübt.
An dem Tag, an dem mein Vater einen Dolch in das Herz eines Unschuldigen stieß, dachte sie, sagte es aber nicht.
»Warum bist du ohne ein Wort fortgegangen?«, fragte sie stattdessen.
Nun mied Wolf ihren Blick. »Ich habe dir immer gesagt, dass ich mich einst auf den Weg nach Sankt Jakob mache.«
»Ja, und ich habe es nie verstanden«, erwiderte sie verstimmt. »Du hast aber auch gesagt, dass du deine Pflicht meinem Vater gegenüber erfüllen wirst. Du hast ihn um vier Jahre betrogen – und dich auch! Du hättest in diesem Sommer den Ritterschlag bekommen, wenn du geblieben wärst!«
»Vielleicht werden mich die Templer zum Ritter machen. Ich bin mit einigen von ihnen in Freundschaft verbunden. Don Fernando Muñiz, der Comandador von Ponferrada etwa, ist mir zugetan und hat meine Arbeit gelobt. Er war einige Male hier, und ich habe Ritter Rodrigo und seinen Wappner Lope einmal zur Festung begleitet.«
»Ich verstehe das nicht«, sagte sie, ohne auf seine Worte einzugehen. »Was hat dich getrieben? Konntest du bei deinem Freund, dem toten Apostel, finden, was du gesucht hast?«
Ein ärgerlicher Zug huschte über sein Gesicht. »Falls du wissen möchtest, ob ich am Grab von Jakobus gebetet habe, so lautet die Antwort: Ja. Und hier zu Füßen des Monte Irago habe ich Frieden gefunden. Es erfüllt mich, mit den Rittern, Servienten und Confratres für die Sicherheit der Wege zu sorgen und mich um die Pilger zu kümmern.«
»Sehr
Weitere Kostenlose Bücher