"Das sind Gefühle, wo man schwer beschreiben kann!"
ihren Sitzen aufspringen und gehen, mit zuckenden
Schultern und einer Geste, die wohl besagen soll „Ich bin nicht schuld!“, verabschiedet.
„Man muss eben ein bisschen Geduld haben mit den jungen Spielern. Wir waren uns ja alle einig, dass wir unsere Ziele eher
so langfristig ansetzen und …“
„Ach, halten Sie den Mund, Kracauer. Wollen Sie mir erklären, dass unser Konzept darauf beruht, Spiele zu verlieren und nicht
mal dagegen anzukämpfen?“
„Nein, natürlich nicht, Herr Grothe, aber …“
„Aber was? Aber WAS?“
„Wir haben doch so viele junge Spieler aus der eigenen Jugend … und den Amateuren … hochgezogen. Und ein paar verdiente Leistungsträger verloren, das wissen wir doch alle, oder?“ Jetzt hängt Kracauer. Schweißperlen
bilden sich auf seiner Stirn.
Grothe, der einen Fleischgroßhandel aufgebaut hat, ist knapp davor, ausfällig zu werden, Kracauer spürt es. Nur der Umstand,
dass sie beide auf der Tribüne in einer immer noch stattlichen Anzahl von Sponsoren und Edelfans der Mannschaft hocken, erspart
Kracauer eine Standpauke von beachtlicher Lautstärke. Grothe zischt wie eine Klapperschlange, ohne dabei sein eingefrorenes
Präsidentengrinsen aufzugeben.
„Was gedenken Sie zu unternehmen, Kracauer? Wofür werden Sie bezahlt?“
Kracauer schluckt.
„Also, ich weiß nicht. Ich finde, wir sollten dem Trainer vielleicht noch ein wenig Zeit geben, die jungen Spieler zu formen,
sie mal an die Kandare … äh … zu nehmen.“
„Das tun wir bereits seit dem ersten Spiel dieser Saison. Dafür gibt’s aber keine Punkte, und wenn’s keine Punkte gibt, steigen
wir ab.“
Und wenn wir absteigen, denkt Grothe weiter, dann gibt’s im nächsten Jahr kein Geld vom Fernsehen und ich kann die verdammte
Lizenz entweder den Bach runtergehen lassen, und dann häuten mich die Bürger dieses verdammten Kaffs bei lebendigem Leib.
Oder ich stocke die fehlenden Penunzen wieder aus der eigenen Kasse auf, was langsam ein bisschen schwierig wird bei der Geschäftslage
da draußen. Grothe wird gleich noch wütender, wenn er daran denkt, es ist ein Teufelskreis. Und dieser Prellmann da unten
wird auch noch gefeiert von der Plebs, die sich Fankurve nennt, weil er vor ein paar Jahrhunderten mal Tore für den Verein
geschossen hat. Auf dem Ticket fährt der Prellmann immer noch, denkt Grothe, dieser Prolet, und dabei macht er sich auf meine
Kosten die Taschen voll. Auf MEINE Kosten.
„Kracauer?“
„Ja, Chef?“
„Ich kann Ihnen sagen, was wir tun!“
Grothe lächelt, plötzlich ganz ruhig.
„Wir schmeißen Prellmann raus, sobald wir einen neuen, jungen Trainer gefunden haben!“
Kracauer schaut Grothe erschrocken an.
„Ist das Ihr Ernst? Ich meine, Prellmann ist beliebt bei den Fans und …“
„Da scheiß ich drauf!“, fährt Grothe auf. „Der beliebte Herr Prellmann hat uns genau sieben Punkte in 10 Spielen geholt! Wenn das so weitergeht, dann steigt dieser populäre Kasper mit meinem Verein ab. Wollen Sie da zusehen, Kracauer?
Dann sagen Sie das, dann schick ich Sie gleich mit zur Agentur für Arbeit!!“
„Nein, natürlich nicht … es geht ja auch um den Verein und nicht um Einzelschicksale, nicht wahr.“
„So ist das, Kracauer, gut gesagt. Jetzt mal ehrlich. Der Prellmann, der ist doch nix mehr für die junge Fußballergeneration.
Die erreicht der doch gar nicht mehr. Wir brauchen einen jungen Trainer, einen, der die Sprache der Spielerspricht und der heiß ist, der noch was zu beweisen hat.“ Und der weniger Geld kassiert, denkt Grothe sich noch hinterher.
„Haben Sie so einen in der Hinterhand, Kracauer?“
„Nein, momentan nicht, Herr Grothe, es war ja bisher nicht die Rede davon, dass …“
„Aber Sie müssen doch vorbereitet sein, Kracauer, meine Güte, was machen Sie denn den ganzen Tag? Bei Oddset wetten?“
Kracauer zieht es vor, darauf nicht zu antworten.
Er hat Glück, denn in diesem Moment fällt unten auf dem Spielfeld der Anschlusstreffer zum 1:2. Grothe klatscht in die Hände und lacht leutselig in die Gesichter der Zuschauer, die zu ihm hochschauen und hoffnungsvolle
Gesten machen. Doch zu Kracauer zischt er bloß: „Welcher Blinde hat denn da im Weg gestanden?“
„War das jetzt ein konkreter Auftrag, Herr Grothe?“, fragt Kracauer in die Lautsprecherdurchsage des Tores hinein.
„Was glauben Sie denn, Kracauer, soll ich’s Ihnen auf einen Zettel schreiben?“, blafft
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