Das Skript
hatte, dachte Erdmann.
»Ja«, antwortete Matthiessen bemüht ruhig.
»Hat er gewusst, von wem er den Anruf bekommen hat?«
»Nein, das hat er nicht. Bitte legen Sie das Skalpell zur Seite, Frau Jäger. Sie haben doch keine Chance. Lassen Sie uns reden.«
»Chance? Wie kommen Sie darauf, dass ich eine Chance haben möchte? Der Roman ist hier zu Ende. Ich will keine Chance. Ich habe mich aufgeopfert für diesen Betrüger. Ich habe ihn bewundert, von Anfang an. Ich wollte ihm helfen. Ich war die Einzige, die ihm helfen
konnte
, die wusste, wie seine Bücher verkauft werden. Nicht diese kuhäugige Buchhändlerin. Ich habe sein Buch schon einmal fast zu dem meistverkauften in ganz Deutschland gemacht. Und dann stellt sich heraus, dass er gelogen hat, dass das alles gar nicht seine Bücher sind, sondern die eines Lektors.«
»Bitte, Frau –«
»Nichts. Es ist vorbei.«
Erdmann überlegte fieberhaft. Er musste eine Entscheidung treffen.
»Vorbei.«
Sie ist geblendet durch die Lampe.
»Ich sage nichts mehr.«
Er zielte. »Ich werde diesen verlogenen Roman beenden.« Sie wandte sich von ihnen ab, sah auf die junge Frau unter sich. »Jetzt werden Sie sehen.«
Neben ihm fiel ein Schuss.
39
Sie saßen müde und verschwitzt in Stohrmanns Büro und warteten. Erdmann hoffte, dass es nicht mehr allzu lange dauern würde, denn er fühlte sich so ausgelaugt und fertig wie schon lange nicht mehr. Auch Matthiessen sah so aus, als ob es ihr ähnlich ginge.
Stohrmann war auf dem Rückweg vom Krankenhaus und würde gleich vor einer ganzen Gruppe hochrangiger Polizeibeamter und Politiker Bericht erstatten müssen, denn der Fall war von großem öffentlichem Interesse. Zuvor wollte er aber ihren Bericht hören. Als er endlich zur Tür hereinkam, sagte er, noch bevor er seinen Schreibtisch erreicht hatte: »Ich möchte jetzt von Ihnen genau wissen, was da abgelaufen ist.«
»Wie geht es Frau Kleenkamp?«, ignorierte Matthiessen seine Frage.
Stohrmann setzte sich. »Sie wird einige hässliche Narben zurückbehalten, aber sie wird es überleben. Wie es seelisch aussieht, kann man noch nicht beurteilen. Sie ist kaum ansprechbar, und es wird auf jeden Fall eine sehr lange Zeit dauern, bis sie sich von dem Ganzen erholt hat. Und niemand kann mit Bestimmtheit sagen, was zurückbleiben wird. Dieter Kleenkamp aber ist erst mal überglücklich, dass seine Tochter noch lebt. Nina Hartmann ist weitestgehend unverletzt, aber sie steht unter Schock.«
»Und was ist mit Helga Jäger?«, hakte Matthiessen weiter nach.
Stohrmann zuckte mit den Schultern. »Kann sein, dass sie ihren rechten Arm nicht mehr wird bewegen können, Ihre Kugel hat ihr das Schultergelenk zertrümmert. Aber jetzt möchte ich von Ihnen hören, was sich in den letzten Stunden genau ereignet hat.«
Erdmann sah Matthiessen an. Sie nickte. Sie würde das übernehmen. »Bis vorgestern Abend war Helga Jäger ein fanatischer Fan von Christoph Jahn. Sie hat ihn verehrt, vielleicht sogar geliebt. Sie ist ihm von Köln nach Hamburg gefolgt und hat ihre Taten unglaublich präzise vorbereitet. Anders als in Köln wollte sie dieses Mal wohl sichergehen, dass Jahns Buch für lange Zeit auf der Bestsellerliste bleibt. Wir denken, sie wollte die gesamte Handlung nachspielen. Das hätte sich über Wochen hingezogen und viele Frauen das Leben gekostet. Auf Helga Jäger als Täterin sind wir gekommen, weil sie in der Teilnehmerliste von Nina Hartmanns Spanischkurs auftauchte. Das konnte kein Zufall sein. Sie hatte sich dort angemeldet, um Frau Hartmann kennenzulernen. Ihr Plan war es, Nina Hartmann anzurufen und unter einem Vorwand an einen bestimmten Ort zu bestellen, um sie zu betäuben und zu entführen. Und so ist es ja auch eingetreten.«
»Unfassbar«, sagte Stohrmann und schüttelte den Kopf. »Weiter.«
»Erst dachten wir, sie ist nur ein Handlanger für Jahn, aber dann ist dem Kollegen Erdmann etwas aufgefallen.« Sie nickte Erdmann zu. Er sollte Stohrmann selbst von seiner Entdeckung berichten.
»Es war mehr oder weniger Zufall. Ich habe mir die Fotos dieses nachgebauten Kellers angesehen, und dabei ist mir aufgefallen, dass der Täter mit dem Kopieren sogar so weit gegangen ist, ein Rohr einzubauen, an dem die Kollegin Matthiessen sich in Jahns Keller den Kopf gestoßen hat. Das hätte grundsätzlich zu Jahns Detailverliebtheit gepasst. Dann habe ich aber die entsprechende Stelle im Buch noch einmal gelesen. Dort ist der Keller bis in alle Einzelheiten so beschrieben,
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