Das spanische Erbe
unbedingt Spanischunterricht nehmen! “Ich werde die Sachen später zurückbringen …”
“Oh nein, Señorita”, rief die Bedienstete schnell und hob abwehrend die Hände. “Señora Margarita sagt, Sie sollen sie behalten.”
“Das kann ich nicht annehmen.”
Die jüngere Frau zuckte die Schultern. Es war fast, als würde sie solch teure Geschenke für normal halten. “Die Señora hat sehr viele Sachen.”
So reich zu sein war schwer vorstellbar! Annalisa hatte auf Menorca eine Finca mit einem nicht gerade kleinen Grundstück geerbt, doch im Vergleich zu Ramon Perez’ Herrenhaus war es nur eine bescheidene Hütte. “Ich würde der Señora gern danken …”
Doch das Mädchen hatte schon das Zimmer verlassen, und so blieb Annalisa nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Verdammt, dachte sie. Wenn doch ihr Spanisch wenigstens etwas besser gewesen wäre! Dann hätte sie die Frau bitten können, sie zu Señora Margarita zu führen. Man sollte sie nicht für undankbar halten!
Sie runzelte die Stirn. Das war wirklich ärgerlich, aber vielleicht besser so. Das Leben der Superreichen interessierte sie nicht. Sie hatte ganz andere Probleme. Eigentlich hatte sie nur ungern ihren Job als Rechtsanwältin in der kleinen Kanzlei in Nordengland an den Nagel gehängt und ein Sabbatjahr genommen, aber die Tatsache, dass ein spanischer Adliger ihr ein Stück Land auf Menorca vermacht hatte, ließ ihr keine Ruhe. Warum sollte er so etwas tun – wo er doch ihre Mutter einfach im Stich gelassen hatte, als sie schwanger gewesen war. Soweit Annalisa wusste, hatte er auch nie wieder etwas von sich hören lassen.
Ihre Mutter hatte sie nicht fragen können. Es war ein ungeschriebenes Gesetz in der Familie gewesen, die Vergangenheit nicht zu erwähnen. Aber ihre Mutter war kurz nach Señor Fuego Montoyas Tod gestorben, und als Annalisa von ihrem Erbe erfahren hatte, war sie entschlossen gewesen, alles über ihren Vater herauszufinden.
Und nun war sie hier und folgte dem Mädchen die Marmortreppe hinunter. Als die Bedienstete den Namen ihres Vaters erwähnt hatte, waren die Vergangenheit und die Gegenwart für einen kurzen Moment eins geworden. Ramon Perez war vielleicht genauso wie ihr Vater … ein stolzer, unbeugsamer Macho, dem Ehre über alles ging.
Wenigstens war vom Hausherrn nichts zu sehen – was bestimmt auch besser so war! Dieser Mann war gefährlich, und sie konnte es sich in ihrer jetzigen Situation nicht leisten, mit dem Feuer zu spielen.
Der mürrisch blickende Chauffeur hielt ihr die Tür der dunklen teuren Limousine auf, und Annalisa ließ sich in die weichen Polster sinken. Es dauerte nicht lange und sie hatten ihre Finca erreicht. Wahrscheinlich kam sie dem Mann wie eine primitive Hütte vor, doch wenn sie das Haus erst einmal renoviert hatte … “Vielen Dank, dass Sie mich zurückgefahren haben”, sagte sie und schwieg verlegen. Der Mann ignorierte sie jedoch völlig, glitt vom Sitz und öffnete ihr die Tür.
Annalisa stieg aus und blickte sich um. Sie musste wirklich noch sehr viel Arbeit und Geld in das Haus und das Grundstück stecken, wenn sie die Finca gewinnbringend verkaufen wollte. Allein die Auffahrt war voller Schlaglöcher. So etwas schreckte potenzielle Interessenten natürlich ab – und von denen sollte es schon einige geben, so hatte jedenfalls der Immobilienmakler gesagt, mit dem sie kurz nach ihrer Ankunft auf Menorca gesprochen hatte.
Der teure Wagen fuhr davon, und in Sekundenschnelle war Annalisa von Kopf bis Fuß mit Staub bedeckt. Sie wandte sich um und betrachtete nachdenklich das Anwesen. Der Putz bröckelte von den Wänden und das Dach war undicht. Wenn sie es nicht bis zum Ende des Sommers reparieren ließ, würde das Innere des Hauses bald völlig unter Wasser stehen. Aber trotz aller Probleme hatte die Finca aus honigfarbenem Stein Charme.
Lautes Bellen holte Annalisa aus ihren Gedanken und ließ die Sorgenfalten auf ihrer Stirn verschwinden. Sie hatte in den letzten Tagen viele Streuner quasi “adoptiert”. Fudge, den alten, treuen Hund, zum Beispiel, der sich über jede Sekunde freute, die sie mit ihm verbrachte. Dann gab es noch mehrere Katzen, Hühner, und eines Morgens hatte sich sogar ein herrenloser Esel eingefunden. Es war beinahe so, als merkten die Tiere, dass das Leben auf der Finca Fuego Montoya weitergehen würde.
Annalisa war zuerst nicht so optimistisch gewesen. Das Haupthaus und alle anderen Gebäude waren sträflich vernachlässigt worden, und der
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